Jakob Böhme gilt als einer der bedeutendsten Philosophen. Geboren wurde er 1575 in Alt-Seidenberg, einem Dorf bei Seidenberg/Zawidów, 20 km süd-östlich von Görlitz. 1599 zog er um nach Görlitz. Hier schrieb er seine 21 Schriften, bevor er 1624 mit nur 49 Jahren starb. 2024 jährt sich zum 400. Mal sein Todesjahr. 2025 jährt sich zum 450. Mal sein Geburtsjahr. Wir begehen diese Ereignisse zwei Jahre lang. Grund genug für mich zusammen zu tragen, wo man Böhme noch heute in der Stadt Görlitz~Zgorzelec findet.
Das Mural an der Bibliothek Zgorzelec
Ganz neu seit Anfang November 2024 ist das große Wandbild an der Giebelseite der Bibliothek von Zgorzelec fertig. Ort: Bohaterów Getta/Trotzendorfstraße.
Es zeigt Böhme schreibend in einer Bibliothek.
Sein Name steht auf einem Bücherstapel. Die berühmten Stiefel des Schuhmachers sind ebenfalls abgebildet.
Jakob Böhmes Stiefel
Eigentlich war er ja von Beruf Schuhmacher, sogar Meister. Allerdings nicht geistig theologisch gelehrt oder gebildet, was zeitlebens zu einem Kampf mit Kirchenvertretern führte.
Zunächst stand sein Denkmal der Böhme Stiefel auf einem Buch an eben jener Kreuzung in Zgorzelec, wo nun das Mural prankt. Hier ein Foto von 2018.
Wie könnte man besser einem schreibenden Schuhmacher ein Denkmal setzen? Genau, mit einem Buch, in dem Schuhe stehen. Der Buchrücken trägt den Namen „Jakob Böhme“ und der Buchdeckel zeigt seine „Philosophische Kugel“. Die findet sich auch auf der Grabplatte auf dem Nikolaifriedhof.
Dieses „Jakuba Boehme-Denkmal“ steht Bohaterów Getta Ecke Stefana Okrzei in Zgorzelec (früher: Trotzendorfstr Ecke York Straße).
2019 kam es dann zur Umgestaltung der Kreuzung in einen Kreisverkehr, womit die Stiefel erstmal verschwanden. Im September 2020 tauchten sie dann wieder an der Altstadtbrücke auf, unweit von Jakob Böhmes Wohnhäusern.
Der Jakob Böhme Kreisverkehr
Am 23. August 2019 nahm sich Zgorzelec die Kreuzung Bohaterów Getta Ecke Stefana Okrzei vor und verwandelte sie in den „Jakob Böhme Kreisverkehr“. Das Ergebnis am 2. Januar 2020: Kreisverkehrgestaltung at its best! Das neue Jakob Böhme Denkmal auf dem neuen Kreisverkehr in Zgorzelec ist nicht nur Denkmal, es ist auch ein Brunnen. Aber nicht ein plätschernder Brunnen, sondern einer mit Düsen, die feinen Wasserdampf ausstoßen. Und das führt dazu, dass das Denkmal aussieht wie im Nebel. Kann man besser einen Philosophen und Mystiker ehren?
Auf dem Kreisverkehr gibt es ein Symbol: Das “Auge der Ewigkeit”.
“Das Auge, auch Ball oder die Kugel der philosophischen Sprache genannt, präsentiert die Konzepte des Schuhmacher und Mystikers über die Essenz der Welt. Es besteht aus vielen Kräften, Verbindungen und offensichtlichen Widrigkeiten und in seinem Zentrum befindet sich das Herz – ein Symbol des Lebens und der göttlichen Liebe.”
Ich hab den Kreisverkehr lange nicht mehr seinen Nebel versprühen sehen. Dafür steht am Rand noch eine andere Skulptur.
Die Struktur mit Rosenkranz- und Freimaurer-Nennung
Ich bin nicht aussagekräftig, was das ist. Die Struktur besteht aus Sechsecken. Diese formen auch den Untergrund des „Auge des Lebens“ auf dem Kreisverkehr. Natürliche Basaltsäulen sehen auch so aus.
Spannend ist die Plakette an der Struktur.
Die besagt im deutschen Teil: „Jakob Böhme, Schuhmacher in Görlitz, christlicher Mystiker, Theosoph, übte starken Einfluß auf die Gedankengänge der Rosenkreuzer und der auf diesen fußenden freimaurerischen Systeme aus.“
Spannend ist, dass der polnische Teil der Plakette nicht das selbe sagt, wie der deutsche Teil:
Es sind möglicherweise die Rosenkreuzer und Freimaurer dieser Welt, weswegen Böhme 400 Jahre nach seinem Tod überhaupt noch in aller Munde ist. Denn ein Görlitzer Pfarrer seiterzeit hätte alles dafür getan, dass dieser Typ für immer in Vergessenheit gerät. Dazu später mehr…
Erstes Wohnhaus
Als Böhme 1599 nach Görlitz kam, kaufte er das Haus in der Daszyńskiego 15, früher die Prager Straße 12, für 300 Mark. Bereits 1608 verkaufte er es wieder für 350 Mark. Er wohnte aber noch darin bis 1610. Dieses Haus ist also NICHT die Schreibstätte seiner Werke. „Aurora“ von 1612 muss im zweiten Haus vollendet worden sein.
Seine Frau Catharina Kuntzschmann gebar ihm zwischen 1600 und 1611 vier Söhne. Die meisten in diesem Haus. Hier hatte er auch seine drei mystischen Erfahrungen.
Zweites Wohnhaus
Bloß wo ist das zweite Haus? Weg! Es war eines dieser Häuser auf der Rückseite der alten Heilig-Geist-Kirche neben der Altstadtbrücke.
1903 wurde die Hospitalkirche, wie sie auch hieß, abgerissen, weil man Platz für die neue Altstadtbrücke brauchte. Den Vorgängerbau hatte ein Hochwasser schwer beschädigt. Seit dem haben wir dort eine merkwürdige Baulücke am Ostufer.
Und wir haben noch etwas merkwürdiges: Böhme ließ 1613 sein Schusterhandwerk sein und half seiner Frau beim Garnhandel. Das heißt, wir haben es zu tun mit einem nicht gebürtigen Görlitzer aus Alt-Seidenberg. Das Böhmehaus ist nicht der Ort seiner Schriften. Schuster war er zwar gelernt, aber beruflich machte er was ganz anderes, als seine Bücher erschienen. Und der Ort des Geschehens ist nicht mehr existent. Zeit für die Popcorntüte, denn es geht noch weiter:
Das Grab von Jakob Böhme…
… ist gar nicht das Grab von Jakob Böhme. Jedenfalls nicht die Ausführung von 1624, wo er bestattet wurde. Böhme galt nämlich als Ketzer! Folglich verweigerte man ihm das christliche Begräbnis seitens des Pfarrers. Und auch seine Gemeindemitglieder der Peterskirche, waren nicht alles Freunde von Böhme. Er wurde zwar letzlich doch bestattet, seine Grabstelle aber besudelt.
Was wir heute sehen, ist eine Spende aus Amerika von 1922.
Im „Neuer Görlitzer Anzeiger“ vom 20. September 1922 heißt es:
„Das Grab Jacob Böhmes auf dem alten Nikolaifriedhof hat in den letzten Wochen eine sehr schöne und würdige Umgestaltung erfahren. Auf dem Grabhügel liegt eine große, granitne Platte, auf der in schwerer Vergoldung mancherlei Symbole aus Böhmes Schriften angebracht sind. Dem Fußende gegenüber steht eine granitne Bank. Das Ganze wird eingefaßt von schönen Rhododendren. Die Erneuerung ist auf Kosten von zwei Amerikaner erfolgt, die als Anhänger Jakob Böhmes und Kenner seiner Werke dem Magistrat an 42.000 Mark dafür zur Verfügung gestellt hatten. Das städtische Bauamt unter Leitung des Stadtbaurates Dr. Ing. Friedrich Küster hat die Ausführung geleitet. Die Grabplatte nebst Inschrift und die Bank sind von der Firma Carl Däunert, Grüner Graben 13, geliefert worden.“
Nur was hatte zu diesem Streit mit dem Pfarrer geführt?
Es war sein Freund und Förderer Karl Ender von Sercha, der bei Böhme das Manuskript für „Aurora“, das erste Buch von 1612, liegen sah und ihn bedrängte, es ihm zu überlassen. Sercha fertigte Abschriften an und eine gelangte auch zum Pfarrer Georg Richter von der Peterskirche. Richter sah in der Schrift Ketzerei und wandte sich an den Stadtrat von Görlitz. Der setzte Böhme kurze Zeit unter Arrest und belegte ihn 1612 mit einem Schreibverbot, an das sich Böhme auch 7 Jahre lang hielt.
Schloss Leopoldshain
Es ist erneut der Adelige Karl Ender von Sercha, der Böhme überredet, weiter zu schreiben. Er lädt ihn dazu auf sein Schloss Leopoldshain ein (heute Schloss Lagow), 4,1 km östlich der Altstadtbrücke, um dort weiter zu schreiben. (Wegbeschreibung hier). Böhme nimmt die Einladung an und 1619 folgt sein zweites Buch „Beschreibung der drei Prinzipien göttlichen Wesens“.
Pfarrer Georg Richter kocht, als 1624 das Buch „Weg zu Christo“ erscheint und bereitet eine weitere Anklage gegen Böhme vor. Richter stirbt am 24. August 1624. Böhme folgt ihm in die Ewigkeit am 17. November 1624. Auch der nachfolgende Pfarrer hält an der ABlehnung gegenüber Böhme fest udn verweigert ihm ein christliches Begräbnis.
Das Jakob Böhme Denkmal
1898 wird das Böhmedenkmal gegossen und in der Nähe der Stadthalle am 31.10.1898 aufgestellt.
Aber: Dort stört es bei der Errichtung der neuen Grenzanlage 1972. Böhme ist wieder einmal im Weg! Sein Denkmal wird umgesetzt in den „Park des Friedens“.
Hier hatte er seine Ruhe bis 2018. Da bekam der Park des Friedens eine Frischekur und Jakob Böhme musste mal kurz runter von seinem Sockel.
Seitdem sitzt Böhme auf einem sprudelnden Brunnen.
Und manchmal trägt er Pelz 🙂
Altstadtfest Huldigungen
Der polnische Teil des Altstadtfestes heißt „Jakuby“ Fest. Das ist übersetzt das „Kleine Jakob Fest“, in Anlehnung an Jakob Böhme. Genau genommen ist ein ganzes Fest nach ihm benannt. Folglich war er dann auch schon zu sehen bei so einem Fest im Fenster seines ersten Wohnhauses.
Und auch auf den Plakaten des deutschen Teils des Altstadtfestes treibt er sich seit vielen Jahren rum. Und auch im roten Gewand sah man ihn in der Vergangenheit laufen, verkörpert von Michael Prochnow, als Stadtführer. Ihr könnt ihn ja mal suchen auf den alten Plakaten zum Fest.
Die Jakob Böhme Straßen
Straßen? Ja, es gab zwei. Die erste befand sich im Ostteil der Stadt:
Die alte Jakob Böhme Straße befand sich am Friedrichsplatz. Auf ihr war die Königlich preußische Baugewerke- und Maschinenbauschule. Heute ist es die ul. Domańskiego Bolesława, die am Rathaus von Zgorzelec endet.
Die zweite Jakob Böhme Straße haben wir seit 1985 im Westteil der Stadt. Sie geht vom Elli zur Bergstraße.
Waldorfschule „Jakob Böhme“
Und wo wir gerade bei Schulen sind: Auch eine Schule trägt Böhmes Namen. Die Waldorfschule, die sich zunächst in der Konsulstraße befand und 2020 in den alten Güterbahnhof auf der Bahnhofstraße zog.
Kulturerbezentrum Jacob Böhme
Hier klopft Zukunftsmusik. Das heißt, eigentlich sollte es schon fertig sein, aber wie das immer alles so ist. 2016 gab es die ersten Gelder für ein „Kulturerbezentrum Jakob Böhme“ in der Dreifaltigkeitskirche! Der Kirchenbau steht zumeist leer. Eine Umnutzung als Kulturerbezentrum kam da als Idee auf. Derzeit laufen Vorarbeiten. 2025 sollte schon alles fertig sein. Na das wird nun nicht mehr. Lassen wir uns einfach überraschen.
2024 & 2025 Böhme im Schlesischen Museum
Noch bis 2. Februar 2025 gibt es im Schlesischen Museum die Ausstellung „Lilienzeit“, die sich mit Böhme und seiner Gedankenwelt beschäftigt. Es werden Führungen in deutsch und polnisch angeboten. Infos!
Drei mystische Erfahrungen
Viel Böhme in Görlitz. Viel Mystisches um seine Person und Ungereimtheiten in unserer Erinnerungskultur. Vor allem ist es eine Geschichte im Ostteil unserer Stadt.
Dies führt in das nächste Mysterium: 1540 wird Bartel Schulze geboren, besser bekannt als Bartholomäus Scultetus. Er wohnt bis 1570 auf dem Scultetushof. Das ist Luftlinie 240 Meter weit weg, ganze 6 Gehminuten von Böhmes ersten Wohnhaus. Scultetus stirbt 1614. Definitiv haben sie sich noch getroffen, denn sie teilen sich 15 Jahre lang die selbe Stadt! Scultetus gehört zu den größten Gelehrten seiner Zeit. Er war Astronom, Kartograf, Chronist und Mathematiker. Er stand im Briefwechsel mit dem russischen Zaren, führte den gregorianischen Kalender ein und war Bürgermeister von Görlitz. Ein großer Denker aus direkter Nachbarschaft, wo Böhme drei Mystische Erfahrungen hatte und mit seinen Schriften die Welt veränderte.
Wir sollten beginnen uns für den Töpferberg zu interessieren. Zwei große Namen der Stadt kommen von dort. Dieser Berg, diese Wohngegend, hat schon einige fühlige Menschen vor Fragezeichen gestellt, um nicht sogar von „mystischen Erfahrungen“ zu sprechen…
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