Von Grabsteinen, Sühnesteinen und Denkmalen

Grabstein nieskyer strasse görlitz 1853
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Ich bin gefragt worden, was das für ein Grabstein an der Nieskyer Straße ist so ziemlich auf Höhe des ehemaligen Einwohnermeldeamtes, Seite Aral. Dies ist tatsächlich ein ungewöhnlicher Ort, um einen Grabstein zu finden und so habe ich recherchiert…

Ganz verwittert ist die Inschrift des Grabsteines. Einzig 1853 lässt sich noch lesen.

Zum Glück gibt es immer wieder Menschen, die sich für solche Themen interessieren, recherchieren und ihre Entdeckungen für die Nachwelt festhalten. So kann man bei Carl Wallis in den „Görlitzer Inschriften“ von 1911 lesen: Es ist ein Denkstein an einen schlimmen Verkehrsunfall. Die Inschrift lautete: „Am 5. Dezember 1853 verunglückte hier der Junggeselle Johann Gottlieb Bogner, indem er unter einen schwerbeladenen Wagen kam und auf der Stelle seinen Tod fand, seines Alters 21 Jahr, sechs Monate, sechs Tage. Sein Körper ruht auf dem Gottesacker zu Ebersbach.“

Ein Denkstein also!
Wir kennen es bis heute, dass Verkehrstoten am Unfallort ein Holzkreuz aufgestellt wird. Diese verschwinden allerdings mit der Zeit und sind vor allem bedeutungsvoll für Angehörige und Freunde. Sie sind selten ein Ort, wo wir alle den kurzen Moment innehalten und uns der Gefahren des Straßenverkehrs besinnen.

Neu sind weiße Fahrräder, sogenannte Ghost Bikes (Geisterfahrräder) im Stadtgebiet, die an tödliche Verkehrsunfälle von Radfahrern erinnern. Diese Idee entstand 2003 in den USA. Görlitz hat (leider) ein solches Ghost Bike an der Kreuzung Schützenstraße/Bismarck-Mühlweg. Im September 2017 verstarb hier ein Radfahrer nach einem Zusammenstoß mit einem Auto. Nun ist es ein Ort des Innehalten!

Ghostbike Schützenstraße

Sühnesteine bzw Mordsteine – Girbigsdorfer Weg

Es gibt aber nicht nur Denksteine für Verkehrstote, die bis heute in Görlitz rumstehen und uns eigentlich zum innehalten und bewusst machen einladen. Es gibt auch „Sühnesteine“. Was ist denn das?

Wenn in alten Zeiten ein Kapitalverbrechen begangen wurde (Mord, Totschlag), so sollte ein solcher Stein gesetzt werden. Einer steht Girbigsdorfer Weg gleich beim ersten Grundstück. Hier fand am 15. Dezember 1666 ein Duell statt, welches – naturgemäß, für einen der Teilnehmer – tötlich ausging.

Es duellierten sich der älteste Sohn des Herrn von Schachmann auf Königshain (siehe Schloss Königshain) und der Bruder des Landesältesten von Salza auf Ebersbach. Es verstarb der Herr von Salza auf Ebersbach. Der Sühnestein selber ist ein kniehohes, pummeliges Ding mit tiefer Delle auf der Oberseite (Foto: hinterm Zaun). Ihm gegenüber steht ein Stein, ähnlich einem Grabstein (Foto: vor dem Zaun). Für einen kurzen Moment dachte ich: „Dies war der Abstand, in dem sich zwei Männer gegenüber standen und gegeneinander die Waffe zogen. Eine wirklich ganz blöde Feierabendbeschäftigung!!!“ Auch 354 Jahre nach dem Mord regte mich also der Sühnestein erfolgreich zum nachdenken an.

Sühnestein hinterm Zaun Girbigsdorfer Weg

Mordstein – Zittauer Straße am Weinberg

Noch so ein verwittertes Ding steht Zittauer Straße am Weinberg. Eine Wegmarke? Ein Grenzstein? Ein Grabstein? Ich habe mich das immer gefragt. Die Antwort lautet: Auch hier geschah ein Mord!

1537 soll es gewesen sein, als hier zwei Brüder von Uechtritz nach Görlitz ritten und in Streit gerieten. Der Eine tötete dabei den anderen. Der Mörder floh nach Rom und erbat dort vom Papst Absolution. Zur „Strafe“ wurde ihm auferlegt, am Ort der Tat eine Kapelle zu erbauen. So sollten Vorbeikommende (immerhin: Straße nach Zittau!) für die Seele des toten Bruders beten können. Es wird vermutet, dass diese Säule Zittauer Straße ein Überrest dieser Kapelle ist. Möglich auch, dass dort mal eine Inschrift war. Ein solcher Hinweis an der Säule würde uns vermutlich wirklich zum „nach-denken“ anregen.

Sandsteinsäule Zittauer Straße am Weinberg – Schauplatz eines Mordes

Denk mal!

Den Rest des Tages überlege ich, was in der Stadt los wäre, wenn für jeden Mord bis heute ein solcher Sühne-Stein gesetzt würde? Wieviele Morde in der Neuzeit hat allein Eveline Schulze zu Papier gebracht in ihren authentischen Görlitz Krimis? Und das sind ja längst nicht alle. Vielleicht täten solche Denksteine uns allen gut, Mord wieder als wirklich schlimmstes aller Verbrechen zu verstehen…

Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges

Krieg ist der Gipfel von Mord, nämlich Massenmord. Später wird es oft verklärt als Heldentat dargestellt. Das ändert aber nichts daran, dass Mord, Mord und nochmals Mord stattgefunden hat!

Bei meinen Touren über die Dörfer östlich von Görlitz fällt mir immer wieder auf: Es fehlen die Denkmäler für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Dort wird nicht mehr den Söhnen, Vätern, Brüdern und Onkels der Dorfbewohner gedacht, die ihr Leben ließen für… ja was eigentlich ist es wert?

Solche Denkmäler finden wir noch mit (bedauernswerter) Regelmäßigkeit in den einzelnen Stadtteilen von Görlitz und den umliegenden (westlichen) Dörfern. Nur mit dem „denk mal drüber nach“ am Denkmal happert es inzwischen. Meist sind sie bekritzelt, zugewuchert, drohen in Vergessenheit zu geraten. Sie zu pflegen ist eigentlich der meditative Moment, um über Krieg und seine Auswirkungen nachzudenken. Eben ein „denk mal!“.

Kriegsdenkmal Rauschwalde Diesterwegplatz

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