Der unfassbar reiche Hans Frenzel hatte also (mindestens) 11 Dörfer zwischen 1499 bis 1524 um Görlitz gekauft und dort hatten sich Rittergüter und Schlösser herausgebildet. Ich bin also mal los auf den Spuren der Geschichte und der erste Weg führte nach Girbigsdorf („Gerwikesdorf“).
Herrenhaus Ober Girbigsdorf und Kästnereiche
Das erste Ziel ist das Rittergut Ober Girbigsdorf, den Einheimischen als „Kästnergut“ bekannt. Zu dem Gut gehörten einst „29 Grundstücke in Girbigsdorf und ausgedehnte Felder, die bis ins heutige Stadtgebiet von Görlitz hineinreichten.“ (Rauschwalde, Bahnhof Schlauroth, Umgehungsstraße, Flugplatz).
Ich überlegte also, wie der Frenzel wohl im Jahr 1500 vom Untermarkt (Frenzelhof) nach Girbigsdorf auf sein Rittergut fuhr und beschloß: Am Fluss entlang! Ich fuhr also Ponte (Fluss) hoch, am Leontinenhof vorbei, Siebenbörner (Fluss) hoch, durch die Stadtgrabensiedlung, unter der Umgehungsstraße durch und über die „ausgedehnten Felder“.
Ich fuhr über eine herrliche Allee (kein Auto möglich!) auf das Naturdenkmal Kästnereiche zu. Sie soll etwa 350 Jahre alt sein (von ca 1670) und steht oberhalb eines Flusstales („Girbigsdorfer Wasser“). Das Flusstal war einst als Parkgelände umgestaltet. Im Unterholz entdeckte ich weitere mächtige Eichen, die auf ihre Weise bereits beeindruckend sind. Dann stand ich vor der Kästerneiche. Mein 29 Zoll Fahrrad wurde zum Spielzeug und ich ganz ehrfürchtig.
Der Kästnereiche geht es nicht so gut. Ihr mächtiger Stamm ist hohl, sie droht inzwei zu brechen. Die Krone ist bereits mehrfach gesichert. Sie selbst ist abgesperrt wegen herabfallender Äste (ich will sagen: herabfallende Stämme). Wie lange sie also noch zu sehen ist, weiß keiner.
Der Weg vor mir ist „historisch“ mit Granit-Pflastersteinen ausgelegt. Er führt aufs Kästnergut (Kleine Seite 32). So heißt es seit ein Herr Woldemar Kästner, der 1882 das Gut kaufte, hier residierte. Eigentlich ist es das Frenzelgut. Das Gut ist riesig und quadratisch mit ehemaligen Wirtschaftsgebäuden umbaut, heute von Familien bewohnt.
An die herrschaftlichen Zeiten erinnert heute noch der Turm, der in seiner jetzigen Form um 1880 erbaut wurde. Dazu die Freitreppe hin zum Park.
Das Girbigsdorfer Wasser im Park ist hier angestaut zu einem Teich. Im weiteren Verlauf fließt es in den Schöps. Sollte die Kästnereiche tatsächlich sterben, muss wohl mal repräsentativ eine der anderen stattlichen Eichen aus dem Unterholz des Parks freigeschnitten werden.
Eine Informationstafel erklärt das Kästnergut. Frenzel kommt dabei mächtig kurz.
Der Nachbarhof (Kleine Seite 37) ist Adresse der Firma Nicht, die bis heute auf dem Wochenmarkt Görlitz Gemüse liefert. Und ich denk mir: Manche Dinge ändern sich eben nie binnen 500 Jahren. Die alten Rittergüter und ihre Länderein drum herum lieferten immer Gemüse, Obst, Tiere, Felle – auch nach Görlitz.
Eine weitere Informationstafel lädt mich zur Schlössertour. Genau deswegen bin ich da. Gelistet sind natürlich nur die repräsentativen, sanierten und mehr oder weniger öffentlich zugänglichen Schlösser. Das ist touristisch top. Mich interessieren natürlich auch die alten, vergessenen, umgenutzen Rittergüter im Frenzelland.
Rittergut Mittel Girbigsdorf III
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegt Rittergut Mittel Girbigsdorf III (Birkenweg 3). Girbigsdorf bestand aus 4 Gütern, denen jeweils ein Flickenteppich an Grundstücken zugeordnet war. Jeweils hatten die Rittergüter weitere Nebengelasse (Wirtschaftsgebäude), wie man es bei Ober-Girbigsdorf noch sieht. Hier, bei Mittel Girbigsdorf III, ist alles bereits abgebrochen.
Gebaut hat es der Görlitzer Ratsherr Johann Christian Neumann 1732. Er übte damals die Grundherrschaft über Mittel Girbigsdorf III (und die dazu gehörigen Bauernhöfe) aus. Links ist eine Tafel auf der steht: „Unter der Gunst Gottes. Johann Christian Neumann, Erbherr auf Mittel Girbigsdorf, Ratsherr der Vaterstadt Görlitz, hat dieses Bauwerk 1732 zum Nutzen der Nachwelt und zur Erinnerung an den Neumannschen Namen errichten lassen.“ Der Nutzen fehlt derzeit.
Rechts gibt es auch eine Tafel, die an Kriegsereignisse und einen Brand des Hofes erinnert: „Im Krieg 1813 gieng eine Erndte, alles Vieh und Mobiliar verlohren. Kaum war dieser Verlust ersetzt, so legte ein unglücklicher Brand am 8. Mrz 1816 früh um 6 Uhr die ganze Hoferöthe und über ein Tausend Scheffel Getreide in die Asche. Mein Unglück war groß. Größer mein Vertrauen auf Gott und Menschen. Mit beyder Hülfe baute in zwey Jahren wieder auf und spreche nun wie David im 90. Psalm v. 10. Unser Leben währet 70.“
Herrenhaus Mittel Girbigsdorf II
Mich lockt das dritte Rittergut. Der Weg führt vorbei an der „Sandschänke“ (Gastronomie mit Biergarten, wer mag).
Auch hier waren die Besitzer vermögende Kaufleute und Ratsherren aus Görlitz. Zum Gut gehörten 16 Grundstücke. „Mit dem Gutsbesitz war die Gerichtsbarkeit über die Untertanen verbunden.“ Die Rittergüter bestanden bis 1945, deswegen werden es die Dorfältesten noch wissen.
Das Gut ist abgewinkelt (Foto). Früher gab es noch eine Tordurchfahrt, einen Turm mit Zwiebelhaube und Fensterläden. Ein kleiner Erker blieb erhalten. Den Einheimischen ist es als „Bockgut“ von Ilse und Fritz Bock bekannt. Heute beinhaltet es mehrere Wohnungen.
Schloss Nieder Girbigsdorf
Mich zieht es zum Schloss (Aueweg 2, rechts rum). Wer eine eigene Milchflasche dabei hat, kann die Milchtankstelle von Neumanns nutzen (Aueweg 23, links rum).
1643 wurde das Rittergut Nieder Girbigsdorf gebildet, nach dem Hiob von Salza auf Ebersbach ( 1586–1654, Schloss Ebersbach!) seine Grundrechte verkauft hatte. Fortan waren diese Länderein überwiegend in adligem Besitz. 1860 baute das Schloss, so wie wir es heute vorfinden, Chlodwig von Sydow, der 1864 – 1877 Landrat von Görlitz war (was Bernd Lange heute macht). Dazu gehört(e) ein englischer Landschaftspark, der sich bis ins Schöpstal hinunter zieht.
Der letzte Schlossherr war Helmut Elze, weswegen die Einheimischen es bis heute als „Elzegut“ kennen. Das Schloss diente zu DDR Zeiten als Kindergarten, wobei der Schlosspark kindgerecht umgestaltet wurde. Dann war es Sitz der Gemeindeverwaltung. Zuletzt, 2018, konnte man es für 130.000 Euro mit 5.500 m² Grundstück kaufen. Aktuell wirkt es leer.
Dann kam bei mir ein Anruf und eine Einladung nach Markerdorf, wo wir uns bis in die Abendstunden über die Wurzeln der Familie bis 1714 in Girbigsdorf unterhielten, die alten Güter und das adelige Blut im Stammbaum.
Vielleicht steckt in uns allen viel mehr, wie wir oft denken… und vielleicht sind die Orte, die uns umgeben es wert, verstanden zu werden. Entdeckt, wer ihr seid und wo ihr lebt. Willkommen im Frenzelland.
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