Siemens Görlitz forscht nun an Wasserstofftechnologie

Wasserstoff Siemens Görlitz
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Ich sitze vor den ganzen Pressemitteilungen. Sie sind für mich eine Aneinanderreihung von rätselhaften Worten: „Innovationscampus, StartUp-Accelerator, Wasserstoff-Forschungslabor und -Technologie“. Das Ganze zur „Erzeugung, Nutzung, Speicherung“ und alle klatschen. Merkel, Kaeser, Kretschmer, Lange und Mr. Fraunhofer-Institut Neugebauer sind extra alle vorbei gekommen am 15.7.2019. Ich verstehe nur Bahnhof. In meinen Ohren klingt das alles, als wollen die den Fluxkompensator für die Mopsgeschwindigkeit bauen.

Wasserstoff kommt in meinem Haushalt und meiner Lebenswelt nicht vor. Früher habe ich Wasserstoffperoxid höchstens zum Haarefärben benutzt. Siemens wird ja aber nicht der ganzen Welt die Haare bleichen wollen. Und um dieses Peroxid gehts ja auch gar nicht.

Ich grübel weiter und entspanne mich damit, dass ich bisher auch keine Industriedampfturbine im Wohnzimmer stehen hatte. Was Siemens Görlitz also genau macht, kam in meinem Leben bisher sowieso nicht vor. Einzig, dass es der Arbeitsplatz von 900 Leuten war, hab ich verstanden und gut und wichtig gefunden.

Verstehen will ich es trotzdem, denn es scheint wichtig, was da in Görlitz und somit mit den Görlitzern passieren soll. Der Dreh- und Angelpunkt meiner Fragezeichen ist dieses Wasserstoffding.

Ich frage also eine schlaue Bekannte, ob sie sich bitte mit mir über Siemens unterhalten kann. Geht nicht, denn sie ist auf dem Weg zu einem Umtrunk. Aber sie wirft mir noch schnell ein paar Screenshots rüber, die irgendwas damit zu tun hätten.

Sie hat mir einen Artikel über Wasserstoff als Energieträger der Zukunft rausgesucht. Ich lese mich also ein: Erst am 20. Mai 2019 haben Leute vom Frauenhofer Institut und Vertreter der Industrie zusammen gesessen bei den „Berliner Energietagen“ und diese neue Technologie namens Wasserstoff diskutiert. „Hui“ denke ich, dann ist das ja wirklich der neueste Schrei!

Dann erzählt der Artikel bisschen was zum Klimawandel und Kohleausstieg. Naja, schon Gundermann, unser Rock-Poet aus der Lausitz, hatte in den 80ern vorsichtig gefragt, was eigentlich ist, wenn die ganze Kohle mal rausgebaggert ist? Irgendwie ist die ja endlich…

Jetzt will man aus anderen Gründen aus der Kohle. Der Lausitz drohen Verluste von 8.000 Arbeitsplätze (sagt das Handelsblatt am 15.6.2019). Das bringt einen gewaltigen Strukturwandel mit sich: Revitalisierung der Landschaft. Neue Aufgaben für die Arbeiter. Alles wird komplett anders, wenn der größte Arbeitgeber dicht macht. Das kennen wir schon und soweit versteh ich das alles.

Dann erzählt der Artikel, dass es mit den erneuerbaren Energien auch so eine Sache sei: Ohne Wind dreht sich kein Windrad. Ohne Sonne langweilen sich die Solarzellen. Diese Energieversorgung schwankt also und das ist problematisch. Sie kommt nicht berechenbar und zuverlässig. Man müsste sie speichern können für den Moment, wo man sie braucht und für die Lücken, wo gerade nichts nachkommt. Ich beginne zu verstehen!!!

Und der Wasserstoff kann so etwas!

Zitat: „Wasserstoff als chemischer Energieträger, der mittels Elektrolyse aus erneuerbarem Strom hergestellt wird, stellt eine vielversprechende Möglichkeit dar, erneuerbare Energien zu speichern und in unterschiedlichsten Anwendungsbereichen zu nutzen. Durch das Erdgasnetz besteht bereits eine geeignete Infrastruktur mit hoher Speicherkapazität. Zudem lässt sich Wasserstoff nahezu verlustfrei langfristig lagern und einfach transportieren: Strom, der im Herbst beispielsweise durch Windkraft im Norden generiert wird, kann mittels Wasserstoffspeicherung Monate später im Süden Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden. An Stellen, an denen heute begrenzte Netzkapazitäten den Ausbau der erneuerbaren Energien hemmen, kann Wasserstoff folglich in Zukunft eine mögliche Lösung sein.“

Das ist ja abgefahren!

So langsam verstehe ich, wieso alle so begeistert sind.
So langsam verstehe ich auch, wieso sich dazu aber auch ein Institut ansiedeln muss, um das alles überhaupt erst einmal zu erforschen. Und wieso es wichtig ist, dass dieses Forschungsinstitut gleich neben den Werkhallen ist. Dann können nämlich die Forscher übern Hof flitzen und zu den Industrieleuten sagen: „Wir hams, wir hams, könnt ihr uns was bauen?“

Das ist alles ganz schön schlau.

Dann sagt der Artikel noch, in welchen Bereichen sich dieser Wasserstoff und seine Speichereigenschaft anwenden lässt: Industrie, Verkehr, Wärme. Überall da, wo es Strom braucht. Überall da, wo man weg will von Emission, Verbrennung, CO2 und die Sachen künftig mit Strom probieren will.

Und plötzlich verstehe ich, das Görlitz eine Schlüsselrolle einnehmen könnte, nicht nur in der Stadt oder dem Landkreis. Auch nicht nur für Sachsen oder Deutschland. Nee, die ganze Welt überlegt doch gerade, wie sie jetzt mal sauber ihre Prozesse, Verkehrsströme und Energieangelegenheiten hinkriegen könnte. Wenn klein Görlitz jetzt also fleißig forscht und tolle Sachen baut, kann es den ganzen Planeten glücklich machen.

Okay okay, das ist vielleicht ein bisschen hochgeschossen. Aber ich denke, ich hab es jetzt verstanden. Und nun kann ich auch die Menschen vom Institut ihre Arbeit machen lassen, ohne es genau verstehen zu wollen. Genauso, wie ich die Siemensiana Dinger bauen lassen kann, wo Wasserstoff das Speichermedium ist, ohne das ich genau wissen muss, wie das funktioniert. Beim Handy will ich ja auch nur, das es funktioniert und muss nicht verstehen, wie die Daten vom Funkturm bis zu mir kommen.

Jawoll: Lasst uns umdenken, lasst uns Vorreiter sein, lasst uns was mit Wasserstoff machen. Wird halt anders, wie bisher. Aber als der Waggonbau 1849 anfing, war ja auch Zugfahren mit Dampflok der neueste Schrei. Görlitz kann das: Die Nase ganz weit vorne haben!

Erklärendes Video zum Wasserstofftechnologiezentrum vom 16.7.2019


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