Schloss Ober-Neundorf

Schloss-Ober-Neundorf-mit-Sgraffito-Dekoration
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Das Schloss Ober-Neundorf befand sich lange im Dornröschenschlaf. Seit 2015 saniert Familie Kuhn in bemerkenswerter Leistung diesen architektonischen Schatz aus dem 13./14 Jhd mit vielen Elementen aus dem 16 Jhd. Hier ein kleiner Überblick und die neuesten Entwicklungen.

Jeden Donnerstag Schloss Café geöffnet

Seit 2015 wird das Gebäude aus dem 13./14. Jahrhundert saniert. Nun ist im Erdgeschoss ein kleiner Kaffeeausschank für neugierige Schlossbesucher eingerichtet. Dieser wird ehrenamtlich und liebevoll betrieben immer Donnerstag zwischen 14 – 16 Uhr zur besten Kaffeezeit. Man kann in diesem Saal mit Holzkassettendecke aus dem 16. Jhd sitzen oder draußen vor der Sgrafittofassade mit dem sächsischen Sitztrommelportal. Die Einnahmen kommen dem Verein „Schloss Ober Neundorf e.V.“ zu Gute.

Tag des offenen Denkmals 2020

Am Sonntag, 13.9.2020, 10 – 17 Uhr, besteht die Möglichkeit, in den Sanierungsfortschritt von Schloss Ober-Neundorf zu gucken. Es ist „Tag des offenen Denkmals“. Für Besucher wird Kaffee und Kuchen bereit gehalten. Zeit also, ein bisschen mehr über dieses Schloss zu erzählen…


Zur Geschichte

Ober-Neundorf, ein Ortsteil von Görlitz

Ober-Neundorf ist heute der nördlichste Ortsteil von Görlitz. 1999 wurde es eingemeindet. Aktuell wohnen da 264 Einwohner (Stand Juni 2020). Das Dorf war bis 1950 eine selbstständige Gemeinde, kam dann zu Ludwigsdorf dazu und 1990 wurde es „Stadtteil“ von Görlitz. Ich hätte also schon viel eher und mehr aus Ober-Neundorf erzählen können. Wieso ich es nicht habe, wird mir beim Lesen der Schlossgeschichte so bisschen klar. Es war niemals Görlitzer Ratsherrenland.

Die Warnsdorfs und die Gersdorffs

In vielen Beiträgen habe ich schon über die Görlitzer Ratsherren erzählt, die Ortschaften rund um Görlitz besaßen, dort auf den Gütern Rittergüter mit Schlössern bauten und so der Stadt Görlitz die Nahrungsgrundlage sicherten. Ein Städter kann sich nicht selbst ernähren! Das weitläufige Ratsherrenland barg aber auch Bodenschätze, wie Sand, Kies, anderes Gestein, Holz, Weideflächen, Fischteiche u.v.m. Und eben jene Rittergüter mit den Schlössern darauf wurden entweder innerhalb der eigenen Familie weiter vererbt, geschickt hin und her verkauft oder sich „schlau“ (aber oft auch lieblos und Kinderlos) einverleibt durch Eheschließungen. Mein sogenanntes Ratsherren Monopoly. Dieses Gebiet bildete bis 1945 den alten Landkreis Görlitz.

Da steckt Ober-Neundorf mitten drin, jedoch wie eine Enklave!
Es gehörte zunächst der Familie Warnsdorf. Zu denen muss man wissen, dass es sich um eine Familie aus Warnsdorf (heute cz Varnsdorf) handelte, die sich erfolgreich beteiligten an den Kreuzzügen (religiös geprägter Krieg!) 1190 von Kaiser Friedrich I.. Dafür wurden sie in den Ritterstand versetzt und machten danach Karriere im Gefolge verschiedener Kaiser und Könige. Und diese Warnsdorfs spielten ihr eigenes Familien Dörfer Monopoly, zumeist südlich von Görlitz. Sie waren 1570/80 die Erbauer des Renaissance Schlosses, was wir heute noch in Ober-Neundorf finden.

1509 bis 1580 war es bereits im Besitz verschiedener Gersdorffs. 1700 kommt das Schloss zurück zu einer von Gersdorff. Das ist die zweite Großfamilie, die nichts mit Görlitzer Ratsherren zu tun hatte und quasi alles westlich von Görlitz besaßen, aber auch in Schlesien und Böhmen. Im ausgehenden Mittelalter besaß die Familie Gersdorff mehr Güter, als der gesamte Sechsstädtebund zusammen (Görlitz, Bautzen. Kamenz, Zittau. Löbau, Lauban). Unfassbar! Ursprünglich kamen sie gar nicht aus Sachsen, siedelten aber im Dorf Gersdorf (heute Gemeinde Markersdorf), kuschelten ebenfalls mit Königen und übten deswegen als Landvögte vor allem Landesrechte in unserer Region aus. Die Familie hat bis heute ca. 90 Mitglieder, die sich regelmäßig treffen.

Ober-Neundorf war also kein Görlitzer Ratsherren Land und wurde es auch nicht. Von Rosina Patientia Gersdorff, die es 1700 kaufte, ging es 1704 an ihren Schwiegersohn Johann Rudolph von Schönberg. 1784 kauft es Karl Gottlob Anton. Den kennen wir! Der war Kumpel mit Adolph Traugott von Gersdorf (schon wieder ein Gersdorff) und zusammen gründeten sie die Oberlausitzsche Bibliothek der Wissenschaften und freimaurerten in Görlitz. Deswegen begegnet uns in Königshufen auch das Straßennamendoppel „Antonstraße“ und „Gersdorfstraße“.

Anton selber war Rechtsgelehrter (Amtsadvokat) und später Senator in Görlitz. Seine Witwe veräußerte Ober-Neundorf 1822 an Herrmann Adolph Schneider und ab da geht es immer hin und her in Adelskreisen (aber nie an Görlitzer!), bis zur großen Enteignung 1945. Danach war das Schloss Wohnhaus und verfiel zusehens. 2009 galt es als bald schon kaum noch zu retten.

2015 schaffte es Familie Kuhn, es zu erwerben, führte zwingend nötige Notsicherungen am Dach durch und seit dem geht es endlich aufwärts. Über das Schloss informieren sie auf einer Homepage. Dahinter steht inzwischen ein Verein.

Das Non Plus Ultra: Sgrafittofassade

Was ist denn das? Im 16. Jahrhundert waren italienische Wanderkünstler unterwegs und die brachten diese Technik mit. Dabei wird erst ein dunkler Putz aufgebracht, darauf ein heller und dann der Helle wieder runter gekratzt. So entstehen helle Muster, Inschriften und Bilder auf dunklem Grund. Und weil das Ganze mit Putz passiert, ist es Wetterbeständig. Also Ideal für Fassaden. In der Oberlausitz gibt es das an noch paar Stellen: Hainewalde, Malschwitz, Muskau. Ebersbach im Schöpstal hatte das mal (jetzt ist es gelb). Östlich der Neiße habe ich es schon für Schloss Hennersdorf erzählt und Mittel Schreibersdorf wird noch genannt. Ganz so oft ist es also nicht. Ober-Neundorf ist das Non Plus Ultra in Sachen Sgrafitto!

An der Fassade gibt es die Inschrift, zu deutsch: „Andere haben für uns, wir für die Nachwelt gebaut. Allen jedoch hat Christus, wie uns, die Wohnstätten bereitet.“

Ein Ortskundiger erzählte mir gestern noch, dass der „Hofeweg“ (Adresse vom Schloss) einst gerade aus durch die Scheune ging.

Die Straße macht da hinten einen Knick. Früher gings durch die Scheune.

Innenansichten Schloss Ober-Neundorf

Gegen wir mal rein, durch das Sandsteinportal an der Frontseite mit „rustizierenden Pilastern“. Das meint, dass in den „Säulen“ rechts und links so Steine scheinbar vorstehen.

Man betritt eine Eingangshalle mit „Kreuzgratgeölbe“. Diese Deckengestaltung befindet sich in mehreren Räumen. Solche Räume haben immer eine besondere Akkustik. Am schönsten war sie im 1. OG.

Die Treppe gerade aus führt in die Obergeschosse.
Ein alter Kaminschacht.
Parkett im 1. OG
Deckengestaltung: Das wird mal richtig schick.
Diese Holzkassettendecke stammt aus dem 16. Jahrhundert.
Eingangsportal. Blick von innen nach außen.

Friedhof für Jagdhunde

Mein Ortskundiger wusste auch, dass es im Schlosspark einen „Friedhof für Jagdhunde“ gab. Ich bekomme eine exklusive Führung zu dem nicht öffentlich zugänglichen Bereich von der jungen Schloss-Erbin. Da steht das Grab von Heidi, 1930. Heidi fällt in die Zeit der Gutsbesitzerin Olga Freifrau von Stein zu Kochberg. Die letzte Besitzerin vor der Enteignung 1945. Das seltsame: Der Schlosspark ist großteils dicht von Efeu überwuchert – jedoch nicht das Grab von Heidi. Niemand macht hier Grabpflege. Es wächst einfach nicht mehr zu… seit 90 Jahren!

Jagdhund Heidis Grab von 1930

Rundgang Außen

Schlossansicht Südseite, normalerweise nicht zugänglich, da Privatbesitz.

Hinterm Gebüsch rechts versteckt sich noch ein Portal, ein Sitztrommelprotal! Na die kennen wir aber von Görlitz und wissen auch genau den Unterschied zwischen sächsischem und schlesischem Sitztrommelportal zu sagen! Stimmts?

Ein kleineres Nebengebäude steht auf der Westseite.

Gebäude Westseite.
Schloss Idylle.

Mein Ortskundiger wusste weiterhin, dass sich das Schloss noch IM Flusstal der früheren Neiße befindet. Hinterm Schloss geht es steil bergauf. Das ist das eigentliche Ufer der eiszeitlichen Neiße. Der Fluss selber ist heute knapp 1 km Luftlinie entfernt. Verrückt!


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