Kriegsende in Görlitz 1945

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7. Mai 1945

In Görlitz werden alle 7 Brücken über die Neiße zerstört. Es sind die Deutschen selbst bei ihren Rückzugsgefechten. Nur 3 der alten Brücken wurden wieder errichtet. Aber das ist längst nicht alles, was die Stadt an Schaden davon getragen hat. (Bild)

Anlässlich des Kriegsendes habe ich einige Görlitz Insider Beiträge unter dem Stichwort „Krieg“ zusammen gefasst. Es geht um Larzarette, Gräber, Friedenseichen, die Not der Frauen, geheime Tunnel, Gefangenenlager, Trennung der Stadt und die Wirkung bis heute.

Wer hinein gehen will in dieses Thema, bitte hier entlang. Heldenhaft, ruhmreich und verklärt ist an Krieg nichts: ➡️https://www.goerlitz-insider.de/tag/krieg/

8. Mai 1945

Die erste urkundliche Erwähnung von Görlitz ist 1073. 874 Jahre kann sich Görlitz diesseits und jenseits der Neiße entwickeln. Es kommen Land, Wald, Seen, Dörfer hinzu. Die Karte zeigt die Größe der Stadt und den alten Landkreis Görlitz vor 1945, dessen Flurstücke im Mittelalter reichen Görlitzern gehörten.

Dann heißt es: „Alle raus! Binnen 48 Stunden!“ Alles zurück lassen. Die Felder und Gärten sind bestellt im Mai. Die Tiere haben Kinder. Die Höfe gehören seit Generationen den Familien. 48 Stunden Zeit zu packen. Rückkehr unter Lebensgefahr, an der Grenze wird jetzt geschossen.

Seit dem bewegen sich die Görlitzer im Halbkreis. Fast jeder hat im Stammbaum Vorfahren, die von östlich der Neiße stammen. Das Wissen um die alten Orte, die Industrie, die Ausflugsziele, Berge und Gaststätten ist verloren.

Und Görlitz selbst steht ein ganzes Jahr ohne Gas da, denn dies war auf der Ostseite angesiedelt. Auch ohne seine Felder, Wälder und Fischzuchtteiche. Zgorzelec hingegen hat weder ein Rathaus, noch einen Marktplatz, noch eine Feierhalle, denn historisch entwickelt ist dies alles auf der Westseite.

Es braucht 3 Jahre, bis sich überhaupt jemand in Zgorzelec ansiedeln will. Es braucht 2 Generationen, bis die Neusiedler so langsam vertrauen, dass sie wirklich bleiben dürfen und sich beginnen um die Häuser zu kümmern.

Es braucht in uns bis heute in die 3. und 4. Generation „danach“, um die Trennung zu überwinden. Im Kreis bewegen sich die aller wenigsten oder haben Ortskenntnis auch östlich der trennenden Ländergrenze.

DAS war das Kriegsende in Görlitz und ist es bis heute. Eine Teilung! Ich habe viele Beiträge unter diesem Stichwort zusammen gefasst, damit diese historische Wunde in jedem Einzelnen heilen kann. Zgorzelec ist mehr, wie Kippen holen und tanken fahren. Da „drüben“ ist ein Teil von Görlitz. ➡https://www.goerlitz-insider.de/tag/teilung/

14. Mai 1945

Kriegsende in Görlitz – und das „danach“
Letzte Woche am 8. Mai wurde das Ende des zweiten Weltkriegs erinnert. Nun sind wir alle schon wieder in unserem Alltag gedanklich angekommen. Das geht nicht 1945.

Die Stadt wird überflutet mit Flüchtlingen aus Schlesien. 4,2 Mio Menschen müssen raus. Die meisten gehen nur bis kurz hinter die völlig neue Grenze in der Hoffnung auf baldige Rückkehr. Es droht eine humanitäre Katastrophe! Görlitz „erstickt“ unter den vielen Menschen.

Die Einwohnerzahl von Görlitz steigt rasant an:
7. Mai 1945 = 31.007 Einwohner.
13. Juni 1945 = 48.767 Einwohner.
Fast in allen Stadtteilen sind es doppelt so viele Frauen, wie Männer. Die sind im Krieg gestorben oder von der Front bzw Gefangenschaft noch nicht zurück.
Auch die Zahl der Kinder geht sprunghaft hoch:
21. Mai 1945 = 2.100 Kinder.
13. Juni 1945 = 4.632 Kinder.
Am 19. Juni 1946 sind es 60.000 Flüchtlinge. Die Stadt muss reagieren und verhängt eine „Flüchtlingssperre“: „Der weitere Zuzug wird hiermit gesperrt. […] Irgendwelche Lebensmittelvorräte für Flüchtlinge sind im Stadt- und Landkreis Görlitz nicht mehr vorhanden.“

Es droht eine Hungersnot.
Die Stadt ruft die Bürger bereits am 7. Juni 1945 auf:
„Bürger in Stadt und Land, macht euch sofort an die Arbeit, bestellt jedes Fleckchen Erde mit Gemüse und Kartoffeln! Noch ist Zeit, um durch Selbsthilfe die drohende Ernährungskatastrophe zu mildern. Verliert keinen Tag!“
Der Schmuckplatz am Wilhelmsplatz wird zum Kartoffelacker umfunktioniert – und ist es in seiner Gestaltung bis heute. Nur das jetzt um den Acker eine Zierkante ist!

Die starken Frauen.
Die Frauen versuchen sich und die Kinder durchzubringen. Mit Handwagen ziehen sie auf die Dörfer und betteln bei den Bauern. Häufig sind sie vom langen Marsch nicht vor der Sperrstunde zurück und bekommen richtig Ärger.

Lichtblicke.
Es ist Johanna Dreyer, die in dem ganzen Wahnsinn am 20. Mai 1945 im Stadthallengarten ein Kinderfest organisiert. Nur 12 Tage nach Kriegsende, nach 6 Jahren Kriegsleid. “Es gibt nur Gerstenkaffee, ein markenfreies Brötchen und etwas gefärbtes Magermilchkonfekt.” Ein winziges Stück Normalität! Eine Denktafel erzählt es bis heute…

Es gäbe so viel mehr zu erzählen von den Menschen 1945/46 in der Stadt Görlitz. Ihrem Leid, ihrem Zusammenhalt, ihrem Überlebenskampf und -Willen erst recht nach dem Krieg.

Lesenwerte Bücher in dem Zusammenhang

Unvöllständiges Kriegsgedenken

Das Gedenken 2024 an das Kriegsende 1945 beschränkte sich wie immer auf die üblichen Floskeln. Es gab KEINE Veranstaltung in Görlitz, nur zwei Termine in Zgorzelec. Ich empfinde das als äußerst unzureichend und mahne es an! Aus diesem Grund habe ich Euch ganz viele Beiträge zusammen gesammelt und diese kleine Triologie verfasst.

Lasst uns Geschichte endlich richtig und anders erzählen! Die Erzählebene, was es für die ganz normalen Menschen bedeutete, fehlt: Unsere Großeltern und ihre Geschwister. Und ihr übertragenes Leid in ihre Kinder – unsere Eltern. Das alles macht doch bis heute etwas mit UNS!

Es ist die Erzählebene aus der man ganz viel lernen kann über den Wahnsinn einiger weniger Geistesgestörter mit ihrem Kriegsgeschrei. Ausbaden müssen es am Ende IMMER die normalen Menschen – in allen Nationen.


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