Görlitz im Jahr 2030 – Moderne Fernwärmeversorgung

Heizkraftwerk-Koenigshufen-Goerlitz
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Der Anfang dieser Idee beginnt eigentlich schon im Jahr 2003. Damals gaben die Zgozelecer eine Studie in Auftrag mit der Fragestellung, wie man die Wärmeversorgung effizient gestalten könnte? Ergebnis: Das Schlauste wäre es, wenn man das Zgorzelecer und das Königshufener Wärmenetz miteinander verbindet. Dann hätte man viele Abnehmer (Haushalte) und das gleicht am aller besten Schwankungen aus – also wenn einer seine Heizung gern auf 5 ballern lässt, während ein anderer lieber sparsam die Heizung auf 2 stellt und im Wollpulli da sitzt. So etwas muss technisch ausgeglichen werden.

2003 sagten die Görlitzer jedoch: Och nö! Ihr heizt ja noch alles mit Kohle in eurem Heizwerk. Wir entwickeln uns doch gerade in Richtung Ökostrom und erneuerbare Energien. Das passt ja gar nicht zu unserer Philosophie. Und so kam man damals erst einmal nicht zusammen.

Aber die Sache mit der guten Nachbarschaft und der Zusammenarbeit ist ja dann doch beiden Seiten der Neiße immer wieder wichtig. Schon seit 2018 strecken die Görlitzer Stadtwerke die Fühlerchen aus, wie Strom- und Gas-Versorgung auch jenseits der Neiße an Geschäftskunden gelingen kann. Und dank der Zusammenarbeit mit einem polnischen Partner aus Warschau funktioniert das auch.

Zuletzt, 2019, haben die Stadtwerke ein Kundenbüro in Zgorzelec eröffnet mit einem E-Bike Verleih.

Soweit der rote Faden zu den grenzüberschreitenden Bemühungen bisher.
Jetzt zum eigentlichen Thema:

Die Zgorzelecer haben ein Problem

Es gibt eine EU Richtlinie, die sagt: Bis Ende 2022/Anfang 2023 darf Wärmeversorgung nicht mehr zu 100% aus Kohle stammen, sondern mindestens 50% müssen erneuerbare Energien sein. Diese EU Richtlinie fällt gerade den Zgorzelecern auf die Füße, denn deren Heizwerk heizt zu 100% mit Kohle.

Ihr Heizwerk ist außerdem Baujahr 19-hundert-paarn-70, hat also über 40 Jahre aufm Buckel und ist eine russische Bauserie. Es ist äußerst störanfällig. Das Ding hat 3 Kohlekessel und wenn einer mal ausfällt, wird eben mit den verbliebenen zwei weiter gemacht (was meist auch ausreicht). So kann fix der eine repariert werden. Aber ein Zustand ist das nicht. Kurz: Mit EU-Richtlinie und Uralt-Anlage drückt den Zgorzelecern mächtig der Schuh. Es bräuchte ganz dringend eine moderne Erzeugungsanlage – und zwar spätestens bis 2022/23.

Das Zgorzelecer Heizwerk. Bildquelle: Medienreferentin des OB

Die Görlitzer haben demnächst ein kleines Problem

Das Heizkraftwerk in Königshufen wurde 1993 gebaut. Es hat also auch bald seine 30 Jahre aufm Buckel. Zwar wurden die Motoren immer wieder erneuert bzw. modernisiert, dennoch machen sich die Stadtwerke bereits jetzt Gedanken darüber, wie das weiter gehen soll, ob man künftig immer noch BHKW-Motoren (steht für „Blockheizkraftwerk“) nutzen will, oder eben nicht. Und: Görlitz insgesamt hat das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden. Allein deswegen muss hier und da was passieren.


Heizkraftwerk Königshufen, Bildquelle: Stadtwerke Görlitz

Zwei Stadthälften, zwei Varianten

Variante 1 wäre, Zgorzelec baut sich seine dringend benötigte neue Anlage. Görlitz baut sich ebenfalls in Königshufen demnächst eine neue Anlage. Beide müssen investieren. Beide würden investieren.

Variante 2 wäre, man macht es gemeinsam. Man legt also die Netze Königshufen~Zgorzelec zusammen, baut in Zgorzelec eine super moderne große Anlage. Investiert folglich also auch nur in eine Anlage, statt in zwei. Und man lebt auf einem neuen Level die Europastadt. Die Infrastrukturen zusammen zu legen, ist ganz definitiv ein neues Level.

Momentan wird Variante 2 favorisiert.

Noch ist gar nichts in dem Tüppel, wo es kocht

Das schwierige an Ideen ist, dass sie einerseits wirklich realisiert werden könnten, andererseits aber auch gar nicht. Oder sogar völlig anders, als gedacht. Momentan ist noch absolut alles offen. Hier beginnt gerade ein Prozess! Die Probleme sind klar und bekannt, das grobe Ziel auch. Der Weg dahin ist allerdings völlig offen. So muss das bitte grundsätzlich verstanden werden!

Der Plan fürs ungelegte Ei

Sollten sich beide Stadthälften wirklich begeistern für Variante 2 („Wir machen das zusammen!“), wäre ein erster möglicher grober Fahrplan folgender (alles Konjunktiv):

Von Königshufen nach Zgorzelec zum Heizwerk würde eine Leitung gebaut. Zgorzelec beginnt dann seine Anlage zu modernisieren. Sobald die Leitung gebaut wird, beginnt Görlitz einen Teil der benötigten Wärme, keine Vollversorgung, nach Zgorzelec zu liefern. Spätestens bis 2023. Das wäre also nur eine kleine Hilfestellung aus Görlitz. So reduziert man recht schnell den Kohleeinsatz in Zgorzelec und gewinnt etwas Zeit für den schrittweisen Umbau vom Heizwerk in Zgorzelec auf 100% erneuerbaren Energien. Dieser kann dann in Ruhe bis 2030 erfolgen.

Wer mal in Zgorzelec am Heizwerk war, weiß, was das für ein riesiges Areal ist. Dort wäre ganz viel Platz für die Lagerung von Brennstoffen, die unter erneuerbare Energien zählen (Biomasse, Holzhackschnitzel zum Bsp). In der Wendeschleife von Königshufen ist nicht so viel Platz. Dies ist also ein weiteres Argument, es in Zgorzelec zu machen. 2030 könnte man dann das Heizwerk in Königshufen vom Netz nehmen. Die Wärme käme dann aus Zgorzelec.

Aber die deutschen Arbeitsplätze?!

Dieses Argument kommt ja gern. Das ist aber in diesem Falle nicht so. Die Stadtwerker bekommen gerade mehr Arbeit, als zu wenig. Das liegt daran, dass Görlitz 3 Wärmeversorgungstypen hat:

1. Die Heizkraftwerke: Königshufen, Rauschwalde, Weinhübel und Goethestraße – alle mit eigenen, voneinander getrennten Kreisläufen.

2. Dann die Energie-Effizienz-Quartiere: Nr. 1 steht am Landratsamt und versorgt eben dieses sowie die angrenzenden Straßen. Nr. 2 steht in der JVA im Erdgeschoss (das am Besten gesicherte Werk überhaupt! *Spaß). Es versorgt die JVA, die Stadtwerke und die nahe Umgebung. Nr. 3 steht im Bombardier und versorgt das Werk. Der Trend geht zu weiteren solcher kleineren Stationen. Gedanklich ist man da schon bis Nr. 6.

3. Und dann gibt es noch die kleinen, dezentralen Erzeugungsanlagen, quasi Mini-Anlagen: Die „Insel der Sinne“ hat zum Beispiel eine und versorgt sich selbst. Genauso das Milamed Labor (alte 6. POS, Cottbuser Straße). Es wird noch weitere solcher Energiezentralen geben. Der Trend geht ganz klar zur dezentralen mini Wärmeversorgung vor Ort. Insofern haben die Techniker der Stadtwerke künftig tendenziell eher mehr zu tun, als zu wenig.
Infos zu den technischen Anlagen hier.

Aber wenn die Zgorzelecer den Hahn abdrehen?!

Dazu gibt es kein Anreiz, später einmal die Leitung nach Königshufen zu schließen. Sollte die Anlage in Zgorzelec wirklich gebaut werden, um Königshufen mitzuversorgen, dann wird sie so groß, dass sie ohne Königshufen als Wärmeabnehmer nicht wirtschaftlich funktionieren kann.

Grundsätzlich darf uns klar sein, dass die Stadtwerke kein Risiko eingehen werden. Das wird in den kommenden Wochen und Monaten ein aufeinander zu robben der Görlitzer und Zgorzelecer Energieversorger. Dabei wird es um eine enge Verzahnung der Unternehmen gehen. Einer kann dann nichts mehr im Alleingang einfach so machen. Die neue interne Unternehmenspolitik wird dann erfordern, dass alle Entscheidungen auch 100% gemeinsam getroffen werden. Bevor das nicht steht, passiert gar nichts.

Alles kann – nichts muss

Vielleicht kommt es aber eben auch gar nicht so. Vielleicht wird es Variante 1: Jeder baut sich sein effizientes und klimaneutrales Heizwerk nach EU Richtlinie. Vielleicht lässt sich auch keine gemeinsame Unternehmenspolitik finden. Dann stirbt die Idee sowieso.

Jetzt ist der Moment, es zu durchdenken und zu entscheiden.
Jetzt ist der Moment, gemeinsam zu gehen – oder auch nicht.
Wenn es jetzt nicht passiert, dann hat jede Stadthälfte ihre neue Anlage und dann stellt sich diese Frage erst wieder in 40 Jahren, wenn die Anlagen erneut technische Neuerungen brauchen.
Das ist die ganze Geschichte.

Herzlichen Dank den Stadtwerken

Beim Neujahrsempfang hab ich das Thema nicht verstanden und hätte es unmöglich danach kommunizieren können. Zum Glück haben sich Frau Brüchner und Herr Caron von den Stadtwerken eine Stunde Zeit genommen, mir das alles von der Pike auf erklärt und sich meinen anschließenden Text nochmals vorgenommen, um zu korrigieren, was ich Nicht-Stadtwerkerin darin vermurxt hatte. Für diese dufte Zusammenarbeit danke ich ganz herzlich!

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