Erfahrung mit Growdfunding

Fahrrad
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Ich habe Growdfunding ausprobiert. Zu deutsch: Eine Gruppe finden, die einen finanziell unterstützt. Meine Plattform war GoFundMe. Binnen drei Tagen war der Betrag zusammen. Ich will erzählen, was ich erlebt habe, um andere von den Erfahrungswerten profitieren zu lassen.

In einer Plattform anmelden

Meine Wahl fiel auf GoFundMe. Dort hatten bisher viele Spendensammlungen stattgefunden, die ich auch geteilt hatte. Das System erschien einfach.

Es braucht zum anmelden eine eMail-Adresse und eine Handynummer für die gesicherte Verifizierung. Ins System kommt man immer nur, wenn man auch den Code, der per SMS kommt, zusätzlich zu eMail plus Passwort eingibt. Die Geräte zum eMail empfangen und SMS empfangen müssen räumlich also beieinander sein.

Der Text für den Aufruf

Meinen Aufruf hab ich frei von der Leber weg geschrieben. Mein Partner in dem Vorhaben, das RADwerk, hat es gegengelesen, gut befunden und so hab ich es veröffentlicht. Den Text hat es nochmal hier. Wichtige Eckpunkte dabei:
Was ist passiert?
Wozu wird das Geld verwendet?
Wer bekommt das Geld?
Welche Spendensumme braucht es?

Die Spendensumme

Wir standen im Fahrradladen und haben durchgerechnet, was es braucht. In diese Berechnung floss ein, was kann ich finanziell geben? Welche Preisvorstellung hat der Fahrradladen selber? Welche Kosten entstehen auf der Growd-Funding-Plattform? – Damit ist schon der nächste Punkt angesprochen:

Die Gebühren

Tatsächlich muss auch so eine Growdfundig-Plattform von irgendwas leben. Meine Plattform der Wahl, GoFundMe, erhebt Gebühren in Höhe von 2,9 % + 0,25 € von der erreichten Spendensumme. Das ist vorher zu bedenken! Wenn man 1.550 Euro braucht, werden also 44,95 Euro wieder abgezogen. Braucht man 10.000 Euro, entstehen Gebühren von 290 Euro. Hier braucht es eine kleine Kalkulation vorab, damit es später keine Tränen gibt.

Auch unser städtisches Growdfunding der Stadtwerke erhebt 7% Projektgebühren und 4% Transaktionsgebühren. Also vorher berechnen.

(Ich kann aber alle meine Spender beruhigen. Kein Spendeneuro wurde für Systemgebühren verwendet. Die hab ich selber getragen. Die Spenden, die zusätzlich reinkamen, liegen in einer Büchse für eine erste Fahrradreparatur.)

Den Aufruf veröffentlichen

Da ich sowas noch nie gemacht hatte, dachte ich, ich starte langsam, schrittweise und überschaubar, um erstmal beobachten und lernen zu können. Deswegen habe ich es zuerst in den privaten WhatsApp-Status für Freunde und Bekannte gesetzt.
Ergebnis: 6 Spender, 145 Euro online und 50 Euro bar.

UND: Hilfsangebote!
Sofort hatte ich das Angebot, mir drei Fahrräder leihen zu können. Eine weitere Freundin wollte nach einem neuen Fahrrad für mich rumfragen. Und die ersten Freunde wollten gern den Link, um ihn zu teilen. Das ist die Kraft eines stabilen Freundeskreises.

Nach 24 Stunden bin ich mit dem Aufruf in den WhatsApp-Kanal gegangen. Der hat 1.312 Abonnenten.
Ergebnis: 18 weitere Spender, insgesamt 420 Euro online und 90 Euro bar.

Nach 48 Stunden hab ich es bei Facebook reingesetzt. Die Seite hat 31.100 Leser. Der Beitrag hatte 10.961 Menschen erreicht, also ein Drittel.
Ergebnis: 47 weitere Spender, insgesamt 1.335 Euro online und 271 Euro bar.
Damit war das Ziel nach 3 Tagen erreicht.

Mehr der Vollständigkeit halber hatte ich den Spendenaufruf noch auf meine Homepage gesetzt. Letztlich brauchte es das aber gar nicht mehr.
Das war mein „Online-Marketing“.

Strategien der Veröffentlichung

Es hatte noch gar nicht alle Freunde, Bekannte und Fans erreicht, da konnten wir auch schon das Ende der Spendensammlung bekanntgeben. Das heißt aber auch, man kann einen solchen Aufruf auch ein zweites Mal auf allen Kanälen veröffentlichen, wenn das Ziel noch nicht erreicht ist. Nicht jeder guckt ständig und immer online rum.

Und man kann in die Breite gehen. Das wäre dann „Online-Marketing“. Also Social Media vollumfänglich nutzen, Freunde bitten es zu teilen, eMails rumschicken etc pp. Das musste ich alles gar nicht, was mich sehr freut.

Der Wunsch nach Bargeld Annahme

Die Menschen im Facebook hatten nach einer zusätzlichen Spendenmöglichkeit gefragt, bei der sie NICHT online überweisen müssen. Nicht jeder hat Klarna, PayPal oder eine Kreditkarte. Wir hatten deswegen eine Spendenbüchse im Fahrradladen aufgestellt. Diese nutzten 6 Spender.

Aufhören, wenn es reicht

Bei 1.335 Euro online haben wir auf allen Kanälen das Ende der Spendensammlung bekannt geben. Also im GoFundMe selber, im Facebook, auf der Homepage. Im WhatsApp-Kanal hab ich es raus gelöscht. Denn wir wussten, dass es zusammen mit dem abgegebenen Bargeld reicht.

Tatsächlich gab es Freunde und Bekannte, die sagten: „Ach Mensch, ich wollte doch auch noch was geben.“ Eine Barspende kam noch am „Tag danach“ im Fahrradladen an. Und andere sagten: „Achso? Da war was? Da hätte ich doch auch noch was gegeben!“ Es war aber für mich nicht vertretbar, die Sammlung fortzuführen, wenn das Spendenziel erreicht ist.

Auszahlung nur, wenn das Fundingziel erreicht ist

Hier kommt eine technische Schwierigkeit. Ausgezahlt wird so eine online Spendensammlung nur, wenn sie das angegebene Ziel erreicht. Auch das darf in der anfänglichen Kalkulation mitbedacht werden. Wer vorher weiß, dass er eine Spendenbüchse irgendwo aufstellen kann, kann online sein Ziel runterstetzen (und kommt damit auf die sichere Seite es auch zu erreichen bzw spart Systemgebühren!).

Wir mussten also unsererseits die Barspenden noch einzahlen. So erklärten sich die letzten zwei hohen Beträge (falls es jemand beobachtet hat).

Kommunikation

Damit haben ich hauptsächlich diese aufregende Woche verbracht.

Bei Spendern
Ich stamme aus dem vorherigen Jahrhundert. Für mich gehört es dazu, sich ordentlich zu bedanken. Das habe ich in aller Form bei allen gemacht, die sich namentlich zu erkennen gegeben haben und für mich erreichbar waren. Wen ich aus dem Freundeskreis getroffen habe, habe ich geknuddelt. Beim Eisdealer, der gespendet hatte, bin ich extra vorbei gefahren und hab mich bedankt. Im Facebook hab ich jedem Kommentator, der sich nach seiner Spende zu erkennen gab, herzlichst gedankt.

13 Spenden kamen anonym. Hier kann ich mich nur vor meinen unbekannten Spendern verbeugen und DANKE sagen. Nein, kein einziger Euro war selbstverständlich. So manches kleines Tränchen hab ich verdrückt. Und mein Herzel hat gebubbert wie verrückt.

Für praktische Hilfe
In den Tagen ohne Fahrrad hatte mir eine Freundin ihres geborgt, so dass ich weiter insidern konnte. Sie bekam von überall ein Foto ihres Fahrrades und musste einräumen, dass ihr Fahrrad mehr rumkommt, als sie selber. 🙂 Bei der Rückgabe hab ich ihr eine kleine Lieblingsnascherei mitgebracht als Dankeschön.

Weitere Hilfe kam von Freunden, die geholfen haben, die Barspenden online zu bringen. Auch das erforderte eine terminliche Abstimmung und ein herzliches Dankeschön.

Mit dem Fahrradladen
Die Kommunikation mit dem Begünstigten ist ebenfalls unerlässlich: Über Zwischenstände, technische Fragen („Wie bekommen wir jetzt die Barspenden da rein?“), Angabe der richtigen Kontonummer und die kleinen Wunder auf dem gemeinsamen Weg.

Koordination

Der Alltag läuft weiter. Und plötzlich steckt man in einer intensiven Phase, die viel Zeit, Kommunikation und eine gewisse Logistik erfordert. Hier wieder mein Tipp: Es einfach nicht alleine machen. Aufgaben können auch verteilt werden und der Freudeskreis hilft bestimmt.

Leihrad, Straßenbahn, Fahrgemeinschaft – alles war dabei.

Auch damit rechnen, das irgendwas gar nicht so geht, wie man gehofft hatte. Das betrifft besonders dieses ganze Online-Zeug mit der lieben Technik. Hier müssen die Synapsen schnell flitzen können und flux einen Plan B zur Hand haben. Auch hier hilft es, es nicht alleine zu machen. Zwei Köpfe haben mehr Ideen, als einer.

Die vielen Gefühle

Auch das ist Teil einer solchen Spendenaktion. Ich lag mir mit Pipi in den Augen mit Freunden in den Armen. Ganz viele Lieblingsmenschen haben intensiv mitgefiebert und immer wieder nach Zwischenständen gefragt. Spenden über 50 oder 100 Euro von Einzelpersonen haben mich emotional wirklich weggeballert und ich bin kurz vom Stuhl gekippt. Als im 10-Minuten-Takt online Spenden reinkamen, saß ich zwei Stunden wie gefesselt vor dem Laptop und konnte es gar nicht glauben. Und es gab auch Kommentare so voller Hass, Neid und Missgunst, die zerstörerisches Potential hatten. In unserer Ellebogengesellschaft trickert es offenbar massiv, wenn jemand (öffentlich) Zuwendung bekommt. Wir haben alle im Freundeskreis nur verständnislos den Kopf geschüttelt. ABER: Die schönen Gefühle haben eindeutig überwogen. Es war jedoch eine emotional sehr intensive Woche.

Wenn ein Spendenaufruf in den Medien landet, wird es noch intensiver. Hier muss man vorher abwägen, wer wieviel aushält. Vielleicht kann auch ein Freund oder Familienmitglied das Growdfunding übernehmen, wenn man selbst so viel Öffentlichkeit, so viel Emotionen und so viele (nicht nur schöne) Kommentare schwer aushält.

Growdfundig wagen?

Rückblickend würde ich sagen:
– Wer ein realistisch erreichbares Spendenziel hat, soll es wagen. (Keine utopischen Summen)
– Wer gut sein Anliegen beschreiben kann, soll!
– Wer sich einig ist mit seinem Begünstigten. Ohne das geht es nicht.
– Unbedingt genau berechnen, welches Spendenziel es braucht – und was es nicht braucht. Auch, was man selber finanziell stemmen kann. Und die Gebühren beachten!
– Man ist plötzlich Manager seiner Angelegenheit. Das erfordert Kommunikation, hundert Textnachrichten, Anrufe, Besuche und viele Dankeschöns sowie kleine Geschenke. Und nebenbei noch das Management des eigenen tägliches Lebens.
– Wer ein paar Online-Marketing Möglichkeiten hat, soll es probieren. (Social Media, WhatsApp, eMails etc). Und wer auf einen stabilen, lieben Freudeskreis bauen kann.
– Wer technisch affin ist mit: online irgendwo anmelden, eMail, Passwort, SMS Code eingeben. Aber auch PayPal, Klarna und Co. Und letztlich mit Eingabe von Kontonummer, Steuernummer (bei Unternehmen), richtige Daten (bei Vereinen zum Bsp). Das muss man nicht alles alleine können. Nehmt euch Freunde dazu.
– Wer bisschen den Überblick behalten kann, ist auch gut beraten.
– Koordination ist alles: Die Spendenaktion mit allem, wie sie einen fordert, und der sowieso forderne Alltag, wollen unter einen Hut gebracht werden.
– Es braucht Konzentration bis zum Schluss. Das Ende ist erst erreicht, wenn auch die Überweisung erfolgreich geschafft ist. Jubel und Sekt beim Erreichen des Spendenziels ist leicht verfrüht! Das ist erstmal nur das Bergfest. Also durchziehen!
– Ein gutes Nervensystem ist auch von Vorteil. Freud und Leid, Liebe aber auch Hass, Neid und Missgunst liegen ganz dicht beieinander in diesen Tagen.

Sollte ein Funding-Ziel online nicht erreicht werden, wird die Summe nicht ausgezahlt sondern allen Spendern zurück erstattet. Das ist der Knackpunkt!

Funfact: Görliwood

Mein altes Fahrrad mit allen Akkus hab ich dem Fahrradladen überlassen als Ersatzteilspender. Vorher jedoch wird es noch eine Requisite in einem Film. Da suchte eine Filmcrew ein möglichst altes eBike, was sie mit einem schrabbeligen Anhänger einmal durchs Bild schieben können. Hurra! Den Job hat mein altes Rad bekommen. Und danach kann es zerlegt werden, um noch andere glücklich zu machen.
Ende gut, alles gut!

Nach 10.000 km noch Filmstar und dann Ersatzteilspender.

Danke nochmal an Alle, die diese aufregende Woche zum erfolgreichen Ende geführt haben.


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