Engelbummel 2019

Hoffmann-und-Reiber Engel
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Jährlich findet der Engelbummel über den Städtischen Friedhof statt. Es führt Frau Mühle, Leiterin des Städischen Friedhofs, zu Grabanlagen mit Engelfiguren bzw zu Gräbern von Menschen, die vielleicht echte Engel waren. Hier einige Impressionen um einen Eindruck zu diesem informativen Spaziergang zu vermitteln. Der Engelbummel ist nur eine von etwa 15 Veranstaltungen jährlich. Man findet sie im Faltblatt aufgelistet.

Die Grabmal des Herrn Henneberg

Herr Carl Gustav Henneberg wurde in Görlitz geboren. Ging dann aber in die Schweiz und wurde dort Seidenfabrikant. Die Heimat hielt er stets im Blick und bedachte sie mit reichlich Schenkungen. So unter anderem auch die Kunstsammlung in der Ruhmeshalle. Weiterhin gründete er eine Stiftung und die vergab an jeden Konfirmaten einen Obstbaum, den er dann pflanzen, pflegen und beobachten konnte (ca. 1900). In Zgorzelec wurde eine Parkanlage nach ihm benannt, der Henneberggarten (zw ehemaliger Trotzendorfstraße und Kleiststraße). Ein bisschen war Henneberg nicht nur Engel, sondern auch Schlingel. Er setzte alles daran, verschiedene Titel zu erwerben.

Spannend ist das Grabmal des Herrn Henneberg aber nicht nur deswegen, sondern der Bildhauer war kein geringer, wie der Berliner Hermann Hosaeus. Und den kennt man vom Mozartbrunnen mit den Drei Grazien in Dresden.

Henneberg Grab in Görlitz auf dem Städtischen Friedhof

Grabanlage Ewald Schneider

Wenige Meter weiter von Carl Gustav Henneberg ist die Grabanlage von Ewald Schneider. Der war ein Porzelhändler in der Weberstraße. Sein Geschäft hatte rechts und links von der Eingangstür Glasscheiben, in denen er die Ware ausstellte. Die Grabanlage wurde 1936 gekauft, jedoch fand darin nie eine Bestattung statt. Der Verbleib von Familie Schneider ist ungeklärt. Die Grabanlage ist in Obhut der Stadt Görlitz, womit natürlich auch Kosten entstehen… bis heute.

Spannend ist hier ein Fresko, das den Lebenszyklus zeigt:

Fresko des Lebenszyklus an der Grabanlage Ewald Schneider

Das Fresko beginnt rechts mit einer Mutter und ihren beiden Kindern. Dann zieht der Sohn hinaus in die Welt. Dort findet er eine Frau und gründet selbst eine Familie. Später sind die Kinder weg und das Paar wird älter. Im letzten Bild ist die Frau bereits gegangen und der alte Greis steht vor dem Engel.

Engel barfuß mit Kranz

Mit den nächsten beiden Grabanlagen ging es um die Symbolik von Engeln. Die werden nämlich immer barfuß dargestellt. Dies begründet sich mit der Bibel. Die sagt: Dort, wo die Engel sind, ist das heilige Land. Dort gibt es weder Hunger, noch ist es jemals kalt. Deswegen sind die Engel auch barfuß unterwegs.

Beide Engel in diesem Beispiel halten einen Kranz. Auch dies ist ein wichtiges Symbol. Der Kreis ist etwas unendliches, ein Symbol für den Kreislauf des Lebens.

Der Engel rechts gehört zur Grabanlage von Pastor Primarius Schmidt (1857 – 1930) von der Peterskirche. Der verlor 3 Söhne im 1. WK (14, 17 und 17-jährig). Ein vierter Sohn starb einjährig. Trotz dieser eigenen Schickssalsschläge fand er stets tröstende Worte für seine Gemeindemitglieder, die selbst Kinder im Krieg verloren. Er war einer der beliebtesten Seelsorger und Kanzelredner.

Die Promi Ecke auf dem Görlitzer Friedhof

Über Minna Herzlieb (extra Text) ging es zu Johanna Dreyer: Görlitzer Fürsorgerin, Erzieherin und Stadträtin von Görlitz. Sie unterrichtete im 2. WK heimlich jüdische Kinder und organisierte nur wenige Tage nach Kriegsende das Kinderfest im Stadthallengarten, was es bis heute gibt. Ein echter Engel eben. Und Frau Dreyer schrieb auch Gedichte. Frau Mühle ließ mich eins abfotografieren. Bleibt menschlich, bleibt freundlich, bleibt offen und seht das Gute!

Johanna Dreyer und ihr Gedicht

Aber was war das mit diesem Kinderfest?
1945, der Krieg ist zu Ende. Die Not ist groß, die ersten Flüchtlinge kommen, noch immer sind die Verhältnisse ungeordnet. Und es gibt Kinder in der schwierigen Situation.

Es ist Johanna Dreyer, die sagt: Egal wie, wir müssen etwas für die Kinder tun. Sie bekniet die Stadtobersten und die sagen „Ja“. Und so organisiert sie nur 12 Tage nach Kriegsende ein Kinderfest im Stadthallengarten – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. „Es gibt nur Gerstenkaffee, ein markenfreies Brötchen und etwas gefärbtes Magermilchkonfekt.“ Ein winziges Stück Normalität!

Von 1946–1949 war sie Stadträtin von Görlitz. Eine Frau, mit dem Herz am richtigen Fleck… Wenn mal die Führung „Weibergeschichten“ auf dem Städtischen Friedhof stattfindet, erfährt man sowas.

Unweit von Frau Dreyer finden wir Herrn Lüders mit seiner Frau. Leider ist das Lüdersdenkmal auf dem Burjanplatz ein bedauerlicher Kriegsschaden (eingeschmolzen zu Rüstungszwecken). So ist das Grabmal von Herrn Lüders nahezu die wichtigste Gedenkstätte an den Begründer des Waggonbau.

Von Frau Dreyer ging es zu einem der schönsten Engel des ganzen Friedhofs. Der befindet sich in prominenter Nachbarschaft mit Herrn Scheller (Landskronbrauerei), Herrn Riedel (Knopffabrik), in Sichtweite liegt Herr Demiani (Oberbürgermeister) und auch Herr Oettel ist da (Begründer des ersten deutschen Geflügelzuchtvereins und Ur-Ur-Ur-Opa von Gregor Gysi).

Der Hoffmann und Reiber Engel

Und in dieser Promi-Ecke ist auch Herr Hoffmann zu finden. Den kennen wir vom Druckhaus am Demianiplatz (später Maxroi), der seiner Zeit den „Görlitzer Anzeiger“ druckte und auch jede Menge Schulbedarf und Schreibwaren (Briefumschläge, Schreibblöcke, Hefte).

Der Engel ist eine Galvano Plastik von WMF und zwar eine Katalogware. Den findet man also möglicherweise an noch mehr Orten auf dieser Welt. Er trug die Nr 700 im Katalog.

Galvano heißt, der ist gar nicht aus Metall. Vielmehr besteht er aus einem Metal-Skelett, das von Gips umgeben ist. Diese Form kam dann in ein Galvanisierbad, mit dem eine dünne Metalschicht aufgetragen wurde. Der Engel besteht aus Einzelteilen, also Kopf, Arme, Rumpf, die alle einzeln galvanisiert wurden, dann zusammengefügt und nochmals eingetaucht.

Diebe wussten nicht, das der Engel nicht aus Metal ist und stahlen zwei Urnen, die rechts und links neben ihm standen und ebenfalls nur Galvano Plastiken waren. 1997 dann bekam der Engel Risse und brauchte dringend eine Sanierung. Dazu brauchte es Spendengelder und so entstand der Engelbummel auf dem Städtischen Friedhof, der bis heute um Spenden bittet für aktuelle Projekte.

Hoffmann Engel, eine Galvano Plastik

Der Engelbummel hatte noch viele weitere Etappen, wie die Urnengräber der Bestattungen von Amts wegen oder die Sternenkinder. Dieser Text soll nicht vollständig sein, sondern neugierig machen auf diese besondere Form von Stadtführung, zu der unser Städtischer Friedhof auf Spendenbasis einlädt.

Eure schönen Kommentare

“ danke für das berührende Gedicht ❤️ „
“ dieses Gedicht kenne ich heute noch auswendig,habe ich mal in der 3.oder 4.Klasse lernen müssen und das ist 40 Jahre her. „
“ Das es das Kinderfest im Stadthallengarten immer noch regelmäßig gibt wusste ich gar nicht, danke. „
“ Toller Beitrag und tolle Info! „


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