Seit zwei Wochen geben die enorm vielen Todesanzeigen in den wöchentlichen Zeitungen den Hinweis darauf, was auf den Friedhöfen der Region los ist. Ein Zustand, der laut Städtischem Friedhof in der Weihnachtswoche anfing und nun so langsam abebbt. Was die Toten uns nicht mehr sagen können, ist das „Warum?“
Warum hat niemand bisher was gesagt?
Nun, für den Friedhof Görlitz kann ich sagen, dass ich es wusste seit der ersten Januarwoche. Da aber niemand mehr vor lauter Arbeit aus den Augen gucken konnte, brauchte es am aller wenigsten noch Interviewanfragen von Spiegel, Bild, Fokus, MDR, SZ und Co. Die Erfahrung aus 2020/2021 hat gelehrt was passiert, wenn die Medien sich einen Friedhof ausgucken und dann alle Interviews wollen. Das brauchte in den vergangen Wochen niemand, wo die Arbeit so schon nicht zu schaffen war. Ihr verzeiht uns unseren pragmatischen Beschluss.
Es ist allerdings jede Woche zu sehen: Der Niederschlesische Kurier (Foto der letzten zwei Ausgaben) hat seit 14 Tagen jede Woche 3 Seiten Sterbeanzeigen. Eine Seite ist normal, vielleicht anderthalb. Hinzu kämen Anzeigen im Wochenkurier und der kostenlose Mittwochs-SZ, die es noch ergänzen.
Die Situation
Erneut standen Särge im Krematorium in den Gängen, da die 33 Kühlboxen nicht mehr ausreichten. Erneut mussten Mitarbeiter von der Friedhofsmeisterei im Krematorium aushelfen und Sonderschichten machen. Zum 13. Januar wurden bereits 140 Einäscherungen im Krematorium Görlitz gezählt, welches den Landkreis Görlitz und teils den Landkreis Bautzen abdeckt. Die Hochrechnung sagte also, dass es bei gleichbleibenden Trend am 26. Januar dann 280 Einäscherungen wären. Ein normaler Januar hat aber nur 170-180 Einäscherungen. Das zeigt die Brisanz.
Jetzt, zum 20. Januar, hatte sich die Situation soweit beruhigt, dass das Krematorium mit den üblichen Mitarbeitern die Arbeit wieder schaffte. Aber der Winter ist noch nicht vorbei und aus den Altenheimen ist unverändert zu hören, dass es auffällig viele Sterbefälle gibt.
Stille Hilfe
Wie auch schon im Winter 2020/21 habe ich auf dem Höhepunkt der Situation den Einkaufwagen (auf eigene Kosten) voll Äpfel, Bananen, Mandarinen, Schoki, Würstchen, Getränke gepackt und hingebracht. Das Arbeitspensum wird dadurch nicht weniger, aber die moralische Unterstützung und der Pausensnack helfen über die extreme Zeit.
Wer stirbt?
Es ist anders, wie in den Corona-Wintern 2020/21 und 2021/22. Jetzt steht nicht mehr an jedem Sarg „Corona“. Jetzt sind es Herzinfarkte, Lungenentzündungen, Krebs, alles mögliche. Ein breites Spektrum, ohne erkennbaren roten Faden. Die Toten sind – ebenfalls anders, als in den Corona-Wintern – nicht mehr nur vornehmlich betagte Senioren, sondern zwischen 50 bis hochbetagt. Gerade die verhältnismäßig Jungen irritieren dabei.
Aber warum, warum, warum?
In unserer Region wüsste ich niemand, der dazu bereits klare Worte gefunden hat.
Ein Bestatter aus Berlin jedoch erzählt aus seinem Arbeitsalltag und den Gesprächen mit den Angehörigen der Verstorbenen.
Die städtische Statistik zeigt es bereits
Die Statistik für die Stadt Görlitz ist immer um den 15. des Folgemonats da. Daraus ergab sich am 13.1.2023 bereits der Blick auf den Dezember 2022: Die hohe Zahl (90) im Dezember darf beunruhigen. Wenn man die verrückten Corona-Dezember (2020, 2021, 2022) mal weglässt, dann liegt die „normale“ Sterbezahl in einem Dezember zwischen 67-74 (2014 – 2019).
Nun bleibt also abzuwarten, wie es weiter geht. Erstmal hat es sich beruhigt.
Allen Angehörigen viel Kraft in dieser schweren Zeit. Und auch den Bestattern und Friedhofsmitarbeitern weiterhin viel Kraft.
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