Am 9. Juni stehen erneut Wahlen ins Haus. Stadtrat, Kreistag und Europaparlament. Seit Ende Februar wurden die Stadtratskandidaten vorgestellt. Einzelne werfen personenbezogene Flyer in die Hausbriefkästen, andere bammeln ihr Konterfei an die Laternen. In den sozialen Netzwerken gibt es Steckbriefe oder Videos zu den Kandidaten. Und die Zeitungen sind randvoll mit Wahlwerbung. Es ist die anstrengende Zeit im Jahr, die man jedoch auch spielerisch leicht nehmen kann. Mein innerer Nerd hatte Lust, die vorhandenen Zahlen und Fakten zu jonglieren. Rausgekommen ist folgendes (un)nützliches Wissen zur Stadtratswahl…
Anzahl der Kandidaten der einzelnen Wählervereinigungen
In Summe kandidieren 123 Kandidaten um 38 Plätze im Stadtrat.
Spitzenreiter ist dabei die Linke mit 24 Kandidaten. Locker lassen es die Freien Sachsen angehen mit 5 Kandidaten. Getönt, sie würden die meisten Kandidaten aufstellen, hat die CDU. Nun, dass stimmt nicht mit 21. Da hält die BfG locker mit ihren 21 mit.
Aber warum rangeln sich 123 um 38 Plätze? Da gehen doch 85 sowieso leer aus.
Das ist natürlich ein Strategiespiel. Jedes Kreuz an jeder Person sorgt in Summe für die Anzahl der Stühle (Sitze), die eine Wählervereinigung klar macht. Auch der, der nur 20 Stimmen auf sich vereinen kann, erweist so seiner Wählervereinigung einen Dienst. Und da Familie, Freunde, Nachbarn, Kollegen vermutlich emotional verbunden ihre Stimmen abgeben werden, gewinnt man mit ganz vielen Kandidaten am Ende doch einen Blumentopf.
Oder man hat ein starkes Zugpferd, wie Sebastian Wippel 2019 für die AFD war oder jetzt die Spendenfee für die BfG sein könnte. Auf diese Weise kann man auch viele Stühle gewinnen – die dann teils mit Kandidaten besetzt werden, die nur 80 Stimmen haben. Andere mit 700 Stimmen gehen dann sogar leer aus. Das ganze Prozedere hat so seine Tücken. Es bleibt ein Strategiespiel.
Frauenanteil, Männeranteil
Ich höre noch die Parole: „Görlitz muss weiblicher werden.“ Hat wohl niemand gehört. Nicht mal die eigene Wählervereinigung. Die Männer dominieren ganz klar das Geschehen!
In Summe kandidieren 37 Frauen und 86 Männer. Statistisch wäre es möglich einen fast rein weiblichen Stadtrat zu wählen. In Prozenten sehen wir aber 30% Frauen und dem stehen 70% Männern entgehen auf dem Wahlzettel. Die Freien Sachen haben gleich ganz auf Frauen verzichtet. Sehr ausgeglichen ist es bei der SPD (50:50). Die meisten Damen (in Summe und im Verhältnis) bringt die Linke ins Spiel. Und falls ich irgendwen ins falsche Geschlecht gedeutet habe, möchte ich mich entschuldigen. Offenbar klappt es mit dem „Passing“ noch nicht so gut ;-).
Durchschnittsalter
Das Durchschnittsalter aller Kandidaten liegt bei 50,74 Jahren. 2019 lag das Durchschnittsalter übrigens bei 47,7 Jahren…
50,74 Jahre – das ist 15 Jahre vor der Rente. Bzw die Kinder sind raus, die Midlifecrises steht kurz bevor, die Wechseljahre schicken die ersten Wellen, die grauen Haare sind schon da. Das klingt jetzt nicht so nett.
Nett wäre: Niemand macht einem ü50 mehr ein A für ein U vor. Ob einen jeder mag, ist inzwischen nicht mehr wichtig. Der Freundeskreis ist stabil. Jeder weiß, was er kann. Großelternfreuden stehen ins Haus. Und wie Gundermann sang: „Die jungen Hühner seh ich offm Feuerwehrball latschen. Na ich bin ausm Rennen. Ich brauch se nicht mehr zu bequatschen.“ Ein schönes, selbstbewusstes, gesetztes Alter also mit ordentlich Lebenserfahrung. In den einzelnen Wählervereinigungen sieht das so aus.
Jugend vs Rentner
Das schöne und gleichzeitig verrückte an Statistik ist, sie sagt immer alles und nichts.
3 Teenys wiegen eine ü80 nicht auf, wenn es um den Altersdurchschnitt geht. Deswegen will ich nochmal einzeln gucken, wie die Verteilung aussieht zwischen der Jugend und den Rentnern. Als „junge Erwachsene“ zählt das KJHG alle bis einschließlich 27. Rentner lass ich mal ab 65 zählen (sei denn, ich weiß, jemand ist schon mit 63 in Rente, wie bei den Motoristen). Und: Ich zähle das Alter, welches im Jahr 2024 erreicht wird – auch, wenn man zur Wahl noch gar nicht so alt ist, weil man erst Ende des Jahres Geburtstag hat.
Gar keine „jungen Erwachsenen“ gibt es bei BfG, Grüne, Freie Sachsen und Motor GR. Aber wie es eben so ist: u35 hat mich der ganze städtische Kram auch noch nicht interessiert!
Der Seniorenclub ist die BfG (7), gefolgt von der AFD (6) und der CDU (4).
In Summe sind es 28 Senioren und 8 junge Erwachsene, die zur Wahl stehen.
Spitzenreiterin ist eine 80 Jährige bei der SPD. Die Kücken sind bei der Linken mit 21 Jahren.
Das möchte ich alles wertungsfrei verstanden wissen: Alter bringt eine gute Qualität mit, Jugend auch.
Altersverteilung insgesamt
Wenn ich alle 123 Kandidaten in einen Topf werfe, umrühre und eine Altersverteilung rausfische, dann sehen wir einen 1:1 zu Görlitz passenden Ausschnitt der Bevölkerung. Und genau das soll Stadtrat ja sein: Ein Abbild der Stadtgesellschaft.
Berufe
Die gesamte Stadtgesellschaft ist gut vertreten, wenn man sich die Berufe der Kandidaten anguckt. Wir haben: 3x Mitarbeiter aus der Werkstatt für Behindere, 4 Lehrer, 3 Erzieher, 6 Sozialpädagogen. 6 Unternehmer (und dazu ein Unternehmensberater), 2 Geschäftsführer, ein Teamleiter, zwei Selbstständige – ich würde sagen, es sind sogar mehr. Zwei Architekten und mehrere Ärzte. Das Heer der Rentner. Dazu zwei Studentinnen, ein Azubi, eine Schülerin. Gefolgt von 6 Kauffrauen und -Männern, 4 Managern und einer Hausfrau. Womit ich nur ungefähr die Hälfte benannt habe…
Das ist Stadt! Diese Vielfalt. Diese Aspekte. Dieser Fähigkeitenpool und Erfahrungsmix.
Politikgerangel oder Zukunft von Görlitz?
Ich mag den Gedanken, es ginge gar nicht um Partein und Fraktionen, sondern um Görlitz.
Es wäre kein Rechts gegen Links und Rot-Grün gegen Blau, sondern ein gemeinsames FÜR Görlitz.
Wir reiten nicht auf Alter rum, sondern suchen kompetente Leute.
Wir führen nicht wahllos 123 Kandidaten ins Feld und hoffen, es über die Masse zu reißen, sondern suchen echte Staatsmänner und -Frauen, die die Geschicke der Stadt demnächst weise lenken durch die definitiv bevorstehenden Stürme der kommenden Zeit.
Wir machen Kandidaten nicht am Geschlecht fest, sondern an ihren Fähigkeiten und zur Abwechslung auch mal an ihrer sozialen Kompetenz. Wie wertschätzend, achtsam, wohlwollend könnte das Miteinander in der Stadtratsitzung doch sein.
Wir versuchen auch keine LSBTQI Quote zu erreichen, sondern interessieren uns für Kultur, Bildung, Stadtplanung, Wirtschaftsinteressen, Stadthaushalt und Co – und zwar homo, wie hetero, wie trans oder sonstwie im Privatleben unterwegs.
Achja, es wäre zu schön…
Aber wir haben ja die Wahl!
Datenquelle
Das Sonderamtsblatt zur Wahl ist da. Wir erfahren darin alle Stadtratskandidaten aller Partein und Wählervereinigung. Sie sind namentlich genannt mit Alter, Berufsabschluss oder Tätigkeit, Wohnort. In selten Fällen ist die Adresse mit durchgerutscht. Bei der letzten Wahl 2019 stand die Adresse noch bei jedem. Nun nicht mehr. Ein schönes Zeitdokument für das heimische Archiv. Und eine prima Vorlage für die Wahl – und die Notiz der Ergebnisse am 9. Juni. Es liegt überall aus, wo es das Amtsblatt gibt. Oder online hier.
Kandidaten angucken
Zahlen sind Schall und Rauch. Letztlich geht es nach Nase. Und ich will behaupten, daran ändert auch der ganze Wahlkampf wenig bis nichts. Er stärkt höchstens intern den Parteizusammenhalt und alle haben aufregende Monate. Auch schön.
Seit Februar zeige ich die Kandidaten und zwar ALLER Partein.
Ich halte meine Leser für mündige Menschen, die im Stande sind, sich selbst ein Urteil zu bilden. Deswegen waren alle Übersichten stets neutral formuliert und behandeln alle gleich:
Motor Görlitz – http://tinyurl.com/5x5dyydf
Grüne – http://tinyurl.com/mr8kf68s
CDU – http://tinyurl.com/3pvb8jjk
AFD – https://tinyurl.com/458hafkp
Linke – https://tinyurl.com/ycy9pmr9
SPD – https://tinyurl.com/5xvhbtnj
Bürger für Görlitz – https://tinyurl.com/4r4j9t6t
Freie Sachsen – da gab es keine Kandidatenvorstellung
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Nur Kreistag, nicht Stadtrat möchte:
Bündnis Sahra Wagenknecht – https://tinyurl.com/564xynf8
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An den nötigen Unterschriften scheiterte:
FDP – https://tinyurl.com/u662zeav
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