Unsere Muschelminna ist natürlich eine Göttin! Was auch sonst bei diesem Prachtkörper. Wir haben es zu tun mit Flora, der Göttin der Blüte.
Der Volksmund war es, der aus der Göttin eine Minna mit Muschel, kurz Muschelminna machte. Minna war um 1900 ein verbreiteter und gebräuchlicher weiblicher Vorname (Kurzform von Wilhelmine, was wieder rum die weibliche Form von Wilhelm ist). Minna war so häufig, wie heute Mia oder Emma. Der heutige Volksmund würde also eine Muschelmia oder Muschelemma daraus machen. Aber gucken wir mal weiter…
Zu ihren Füßen sitzen 2 Herren und 2, tja… also die eine ist schon mal kein menschliches Wesen. Und wenn es die eine nicht ist, ist es die andere auch nicht. Die Damen stellen Nixe (die mit dem Fischschwanz) und Nymphe (die mit der Blüte) dar. Beides mit „N“, das lässt sich gut merken.
Und die Herren? Der eine hat ein Fischernetz. Der fängt also Fische. Dann muss es ein Fischer sein. Und der andere, der fängt auch was. Nun ist der nackt, sieht gut aus und hat ansonsten nicht viel dabei. Aber nein, er ist kein Callboy oder Stripper auf Damenjagd.
Er ist das Pendant zum Fischer, nur auf dem Land. Und das ist, genau, der Jäger. Unter der Göttin sitzen also Fischer, Nymphe, Jäger und Nixe.
Zwischen den Figuren befinden sich Wasser speiende Satyrköpfe und Muschelschalen.
Die Sache mit Herrn Toberentz
Soweit so gut. Fehlt noch die Geschichte rund um die Entstehung des Brunnens. Also, das war so:
> Bis 1845 war der Postplatz ein Viehmarkt.
> 1855 wurde das Postgebäude fertig gestellt (Vorgängerbau des heutigen).
> 1865 folgt die Fertigstellung des Gerichtes.
> Der Platz war nur mit Kies bestreut und mit einer Reihe Bäume umstellt.
> Der preußische Oberpräsident der Provinz Schlesien regte einen Brunnen an.
Jetzt geht’s los:
> Die Staatsregierung stellt 78.000 Mark bereit, die Stadt Görlitz gibt 45.000 Mark (15.000 davon sind Spenden) dazu.
> Der Auftrag geht 1879 an den Bildhauer Toberentz (Breslau), siehe Sockelinschrift.
> Der unternimmt jede Menge technische Versuche bei der Ausführung und kann den Termin (sechs Jahre waren für die Fertigstellung geplant) nicht einhalten. Klingt nach Berliner Flughafen… *hüstel
> Die Stadtbevölkerung munkelt derweile, er habe sich mit seiner Frau zerstritten, wegen der sehr freizügigen Darstellung der Minna.
> Der Staat gibt noch mal 15.000 Markt, die Stadt noch mal 10.200 Mark für eine zügige Fertigstellung. Seltsam, manche Dinge ändern sich nie…
> Toberentz kann den Termin trotzdem nicht halten. Die Arbeiten für den Sockel werden an die Bildhauerfamilie Ochs (Berlin) vergeben.
> Wegen der langen Bauverzögerung dichtete die Bevölkerung auf den, die Arbeiten vor Ort leitenden, Stadtbaurat Oskar Kubale: „Kubale, Kubale wird´s nun bale?“
> Die Bronzefigur der Minna wird in Lauchhammer gegossen.
> Einweihung des Brunnens am 12.11.1887 (8 Jahre später!!!). Wasser lief an dem Tag aber trotzdem nicht, da das Leitungssystem noch nicht fertig war.
> Immer wieder wurde darüber „philosophiert“, warum die Minna gerade mit dem Hintern in Richtung Berliner Straße steht, also quasi sich den Besuchern der Stadt von hinten zeigt? Die meisten kamen zu der Zeit ja noch mit dem Zug nach Görlitz. Einige wollten wissen, das wäre wegen dem Gericht, damit die Richter – die sonst aus den Fenstern genau auf die Brüste schauen würden – nicht abgelenkt werden.
Und noch was zum Postplatz
Hier noch ein bisschen Platz-Gestaltungs-Geschichte:
> Die Platzgestaltung mit den sternförmigen Wegen wurde nach 1889 angelegt. Das war, nachdem das heutige Postamt fertig gestellt wurde.
> 1937 entstand das Rasenoval, was einen direkten Zugang zum Brunnen fortan verhinderte.
> 1942 wird die Bronzefigur zu Rüstungszwecken eingeschmolzen. Für alle mit starken Nerven hier ein trauriges Foto davon
> Nach dem Krieg wird an ihrer Stelle eine marmorne Schale gestellt, die im gleichen Stil wie der Rest des Brunnens gestaltet wurde. Wer den Brunnen nicht mit Minna kannte, hatte nie den Eindruck, dass da was fehlt. Ein Foto hat es hier.
> In der Adventszeit wurde aus dem Brunnen eine Weihnachtspyramide gemacht.
> Friedemann Klos bekam 1987 den Auftrag, nach alten Vorlagen eine neue Minna zu erschaffen, die Finanzierung erfolgte fast ausschließlich über Spenden. Eine große Spende kam z.B. vom Shell Konzern, der eine Muschel als Logo hat.
> Am 1. Mai 1996 wird der Neuguss der Minna auf den Sockel gehoben.
Solche tollen Sachen erfährt man auf Stadtführungen. Ich kann es allen nur ans Herz legen, gerade als Görlitzer die Stadtführungen mal mit zu machen.
Ein Beitrag vom 16.8.2015
Eure schönen Kommentare
“ Dankeschön. Das war sehr interessant. „
“ Sehr interessant TOLL „
“ Wieder super erklärt und geforscht… „
“ Vielen Dank. Was du so alles ausgräbst?!!! Die Brunnenversion nur mit Muschel finde ich fürchterlich. Gut, dass wir unsere Minna wieder haben. „
“ Herrlich! Vielen Dank für dieses Stück Geschichte! „
“ Vielen Dank für den ausführlichen Beitrag.Es ist interessant mal die ganze Geschichte zu erfahren,denn man geht ja immer vorbei und weiß nicht darüber Bescheid. „
„Sehr interessant und I ❤️ your writing style.“
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