Eine Freundin und ich haben uns im Fitness Center angemeldet. Ein paar Monate Schnuppertraining ist angesagt – inklusive aller Kurse. Die meisten Kurse klingen nach „Sport“, also so richtig mit schwitzen und fix&foxy sein. Wir entscheiden uns für Freitag früh, 9:15 Uhr zum „Mobility Kurs“. Das ist die Rentner-Edition und damit genau richtig für unseren (nicht vorhandenen) Fitnessgrad.
„Freitag früh 9 Uhr“ ansich ist bereits die Härte, denn ehe ich wach bin, gefrühstückt habe, gewaschen bin und ansprechbar, ist es meist 10 Uhr. Üblicherweise habe ich vor 10 keine Termine – aber für den Kurs mache ich eine Ausnahme, 5 Monate lang!
Meine Darmtätigkeit weiß gar nicht, was das soll!?! Einerseits ist früh keine Zeit, dass sie in Gang kommen kann. Andererseits mache ich als nächstes Bewegungen mit krätschen, strecken, dehnen, Becken kreisen, wo sie liebend gern in Gang kommen wöllte, aber AUF GAR KEINEN FALL darf. Ich kämpfe also an mehreren Fronten gegen meine biologische Uhr. Der Kurs jedoch ist es wert.
Mit uns sind ca. 20 Senioren, davon 2-3 Herren. Es herrscht jeden Freitag Früh ein fröhliches Gewussel, Geschnatter und Gekicher, wie das eben so ist unter Senioren. Bald kennt man sich, grüßt sich, schwatzt. Es ist einfach schön. Der Kurs ist der best besuchteste der ganzen Woche.
Unsere Trainerin will, dass wir Schmerzen haben. Das meint sie nur gut, denn es geht um Dehnung und Gelenkigkeit und die erreicht man nur, wenn man an die Grenze des Körpers geht und darüber hinaus. Mehrfach überlegt sie, den Kurs umzubenennen in „SM für Anfänger“ oder sowas. 🙂 Wir haben Spaß.
Ich lerne in den 5 Monaten die Bereiche kennen, wo der Zahn der Zeit bereits an mir nagt bzw ich vermutlich noch nie gut drin war. Das beginnt mit Seitwärtsschritten und dazu Armbewegungen. Eins-Zwei-Tap kann ich Diskomaus. Eins-Zwei-ohne Tap bringt mich völlig aus dem Takt. Und dazu noch „Arme hoch! Und runter! Und seitlich! Und…“ Kleinlaut muss ich zugeben, dass ich mich nicht koordiniert bekomme und zu Hause üben müsste. Es bleibt beim guten Vorsatz.
Genauso ist es, wenn wir die Knie nach oben ziehen sollen bei schnellen Schritten und dabei die Arme hoch reißen. Und plötzlich kommt die Ansage:
„Die Arme nach unten ziehen!“ – Hä? Wie jetzt?
„Und jetzt diagonal den Arm hoch zum Bein!“ – Was?!
„Und jetzt die gleiche Seite den Arm hoch zum Bein!“ – „Ich bin raus.“
Mit mir kapitulieren auch andere. Häufig ist im Saal nur noch Gefuchtel zu sehen, aber egal, Hauptsache wir bewegen uns. Das alles bringt ganz schön aus der Puste.
Es folgt „Arme hoch! Ganz hoch! Ganz gerade hoch!“.
Der liebe Gott hat mir jedoch die Schultern schief dran gebastelt und gerade Winkel gehen einfach nicht. „Kopf zur Seite, Oberkörper drehen, und die Arme immer noch gerade!“ Aussichtslos. Ich kann mich verdrehen, wie eine Eule und mir fast auf den Po gucken, aber nicht mit geraden Armen.
Das Schwierigste ist jedoch: „Stehen auf einem Bein, Oberkörper gerade nach vorn, Brust raus, anderes Bein hinten hoch! Noch höher! So weit es geht hoch! Noch weiter!“ Und dann gefühlte 5 Minuten so stehen bleiben. Meine Füßchen, die entweder faul unterm Schreibtisch stehen, auf der Couch rumliegen oder in die Pedalen treten, wissen gar nicht, wie man das Gleichgewicht hält in dieser Flugbewegung. Tatsächlich setze ich mir 5 Monate lang Gleichgewichtsübungen aufs Trainingsprogramm. Ist ja peinlich, wenn man so strauchelt. Ü70 darf sich überdies bei dieser Übung am Fensterbrett festhalten.
Es gibt zwei, drei Übungen, die enden mit: „Kopf runter hängen lassen, in den unteren Rücken atmen, Arme ganz locker lassen.“ Herrlich. Im Alltag lässt man als Erwachsener nie den Kopf mal locker nach unten baumeln. Ich fahr immer extra nach Klingewalde auf den Fahrrad-Rastplatz, um mal bisschen Kopf über rumzuhängen.
Ich erfinde in dem Zusammenhang eine Übung bei der die Arme nach hinten gestreckt sind, dann nach vorne beugen, Kopf runter und die Arme der Schwerkraft übergeben. Eine absolute Wohltat, die alle begeistert mitmachen.
Alles, was wir am Boden turnen, ist okay, bis zu dem Moment, wo wir uns nach hinten rollen sollen, Beine hoch und Füße hinterm Kopf absetzen. Das würde schon gehen, wenn nicht so viel leckere Sahnetorten, Schlagsahne, extra Portionen Käse und Kaffeesahne in meinen Rubenskörper gelangt wären. Ich habe schlicht zu viel Bauch, um mich derart kringeln zu können.
Es gibt viele Senioren, die erreichen manchen Winkel, manche Drehung, manche Dehnung gar nicht mehr. Sie sind mir Mahnung, doch künftig immer mal an mir rumzustretchen. Was man nicht regelmäßig macht, geht irgendwann gar nicht mehr.
Und am liebsten würde ich sie ja alle mit nach Hause nehmen. Die Martina* (*Name geändert) zum Beispiel, die eigentlich immer im toten Winkel vorn an der Tür sportelt, wo sie nicht so im Blickfeld der Trainerin ist. Sei denn, ich bin neben oder vor ihr. Dann passt die Trainerin schon auf und Martina schimpft, dass sie wegen mir unter Beobachtung steht.
Oder – ich nenn sie jetzt mal Irene*, denn sie sind alle im Alter einer Marianne, Gertrud, Helga, Dorothea oder Gittel – … Irene ihre Brille nicht dabei hat und mit zusammen gekniffenen kurzsichtigen Augen versucht, bei den anderen zu erkennen, welche Übung wir gerade machen sollen.
Oder Silvi*, die garantiert irgendwann laut „Huuuuuch!“ ruft oder Ohrenbetäubend laut niest, so dass der ganze Saal erschrickt.
Ja, dass waren schon schöne 5 Monate Sportkurs. Ich werde es echt vermissen. Heute war mein letztes Mal. Ich mach künftig weiter mit Qi Gong, dass ist so ähnlich.
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