Auf unserem Fest zu „25 Jahre Europastadt Görlitz~Zgorzelec“ habe ich eine Broschüre ergattert mit Wanderwegen und Radstrecken rund um Zgorzelec (Gmina Zgorzelec). Sowas hatte ich immer gesucht und mich spontan für den gelben Radweg entschieden. Zwischen schöner Broschüre, netter Karte und Realität liegen dann jedoch oft Welten. Ich hab zwei Anläufe gebraucht, die Strecke so halbwegs zu finden. Einfach aufs Rad und los und dann einer guten Ausschilderung hinterher, funktioniert nur Abschnittsweise. Hier die Tour(en) in Bildern. Schön ist es aber auf jeden Fall!!!
Den Anfang finden
Damit ging es schon los. Die Karte ist so mini, dass ich nur raten konnte, wo es losgehen soll. Deswegen wollte ich vor der ersten Tour in der Touristeninfo von Zgorzelec fragen, ob sie diese Karte auch größer haben? Ich hab aber einen Tag erwischt, wo ausgerechnet gerade geschlossen war. Nach reiflichen Studium diverser Karten vor der zweiten Tour, hatte ich dann eine leise Ahnung, wie es gemeint sein könnte. Ein neuerlicher Besuch in der Touristeninfo endete erneut erfolglos. Dieses Mal war zwar offen, jedoch gibt es diese Karte einfach nicht größer.
Ein erster Minuspunkt an das Projekt „Abenteuer Neiße“ bzw Interreg, die mit vielen Millionen EU Geldern das Radsystem installiert haben.
Das sieht doch erstmal vielversprechend aus. So viele Wege! Und angeblich ausgebaut!
Ich wollte auf dem gelben Radweg bis Kieslingswalde/Sławnikowice und über den grünen Radweg zurück.
Besser als die Karte in der Broschüre sind tatsächlich die Erklärtafeln unterwegs (zu denen man aber erst einmal finden muss). Da ist die Karte größer und der Anfang etwas klarer:
Abenteuer Neiße hat auch eine Homepage, aber auf der finde ich mich nicht zurecht. Das ist der zweite Minispunkt.
Los gehts!
Trotz aller Wiedrigkeiten geht es jetzt los:
Stadtbrücke Görlitz – auf ins „Abenteuer Neiße“.
Am ersten Kreisverkehr gerade aus (Kościuszki, früher Courbièrestraße).
Hier gibts mal einen Pluspunkt. Das ist doch ein feiner Radweg. Ausgeschildern, rot markiert, von der Straße auf den Bürgersteig gelegt. Hier also weiter an den 20er-Jahre-Bauten entlang, die mich immer sehr an die Reichertstraße erinnern.
Vorbei an den Monsterblöcken aus „Manhatten“. Da hat man die Ungetüme mal von der anderen Seite.
Dann über die Lubanska (Laubaner Straße) auf die schiefe Kirche zu (Hl. Josefskirche).
Und nun, an dieser Stelle, kommt eine erste Erklärtafel – die NICHT den gelben Radweg enthält. Deswegen gibt es einen weiteren Minispunkt. (Das Haus hab ich extra mit aufs Bild geknipst. 😉 )
Laut der Tafel bin ich jetzt auf dem lila Radweg (Kreuz).
Die Tafel ist besprüht und zerstört, wie nahezu alle Tafeln unterwegs. Auch dafür gibt es einen Minuspunkt. Bei solchen Projekten braucht es einfach Folgegelder für die Instanthaltung und für einen Wegewart, der jedes Jahr 1x alle Schilder kontrolliert und notfalls ersetzt.
Der lila Radweg führt vorbei an dem Ort, wo künftig die Fernwärme von Görlitz-Königshufen herkommen soll. Is nicht wahr, oder? Doch! Die Erklärung dazu hab ich hier.
Und der lila Radweg führt vorbei an der „Wilhelmshöhe“. Die nun wieder findet man noch auf alten Karten. Sie liegt in einem kleinen Wald mit sehr altem Baumbestand.
Und dann folgt der noch-nicht-ausgeschilderte gelbe Radweg in meinem Dafürhalten der Ulica Fabryczna (Bunsenstraße) und man kann mal das alte Gaswerk von Görlitz bestaunen. Infos dazu hier. Genau genommen ist man hier schon auf Flurstücken von Hennersdorf.
Als nächstes geht es durch dieses Tunnel mit dem Gefühl, jetzt biegt man in eine Gartensparte. Und genauso ist es auch.
Herzlich Willkommen in Polen. Falls jemand irgendwelche Autoteile sucht, einfach in Polen Radfahren. Die Wegesränder liegen voll damit. Neulich bin ich sogar an einem ganzen LKW Führerhaus vorbei gekommen und hab schon überlegt, ob das nicht eine witzige Gartenlaube wäre…
Und nun endet also das, was ich als gelber Radweg deute, an der Bundesstraße 30. Links, wo man die LKW´s sieht, ist die Autobahn Abfahrt. Gerade aus zwischen den Bäumen geht der Weg weiter. Man steht an dieser Stelle also ca. 5 Minuten, bis sich für einen kleinen Radfahrer eine Lücke ergibt. Es gibt keine Verkehrsinseln (vorn an der historischen Lindenallee gibt es wenigstens das!). Und man rennt auf eine Leitblanke zu, von der man nur hoffen kann, dass es dahinter gangbar ist. Ich spreche noch nicht von fahrbar. Wer denkt sich sowas aus? Dicker Minuspunkt!
Hinter der Leitplanke war ein Trampelpfad. Und da es zuvor nicht stark geregnet hat, musste ich nicht über einen Flusslauf springen, mit Fahrrad. Hatte ich schon den Minuspunkt vergeben?
Und dann kommt man in Lagow (Leopoldshain) raus, ohne das es auf diesem Weg ein Schild gäbe, dass einem das sagt. Genau an dieser Stelle müsste man nach rechts auf dem gelben Radweg, was einem auch kein Schild sagt. Wie gut, dass ich Ortskenntnis habe. Hier also erneut ein Minuspunkt.
Vorn blinzelt das Schloss Lagow. Es wäre Sünde nicht kurz bis hin zu fahren (was aufgrund fehlender Ausschilderung sowieso jedem passieren würde…).
Schloss Lagow!
Fazit bis hier her: Sechs Minuspunkte, ein Pluspunkt. Bis hier hin fällt der gelbe Radweg komplett durch. Ich würde das auch nie mehr so fahren. Dann lieber den grünen Radweg von der Altstadtbrücke hoch zur Arena, über die historische Lindenallee nach Lagow und ab da auf dem gelben Radweg. Oder gleich von Zgorzelec direkt nach Lagow auf der Hauptstraße (ohne alle Radwege). Da kommt man immer noch genau richtig raus.
Lagow/Leopoldshain
Leopoldshain hat heute 1.440 Einwohner. 1941 waren es 1.058. Bevölkerungszahlen hat es hier.
Am Schloss Lagow gibt es eine erste Erklärtafel, auf polnisch und deutsch. Das ist das, worauf ich mich beim gelben Radweg gefreut habe und was über weite Teile auch funktioniert. Wenn die Tafeln nicht zerstört oder verwittert sind. Die Sache mit dem fehlenden Wegewart… Aber genau wegen diesen Erklärtafeln möchte ich ermuntern, das östliche Umland von Görlitz~Zgorzelec zu erobern. Es gibt viel unterwegs zu entdecken.
Für mich geht es zurück auf die Strecke, die ich als gelber Radweg deute und da kommt auch endlich das erste Schild. Es gibt ihn also wirklich!!! Nach 5 Kilometern findet man den ersten Hinweis darauf. Das ist doch Minuspunkt verdächtig.
Hier befindet sich das Gut Ober Leopoldshain, ein Emmrich-Besitz, an dem seit einigen Jahren gebaut wird. Es sieht mir aber eher nach einigen Jahren Baustopp aus.
Wink zur Landeskrone. Wink zur St. Hedwig Kirche.
Bis hier hin kommen häufig gelbe Radwegschilder. Und so landet man an der Kirche von Lagow und der Schule (links das Gelbe).
Dann muss man einfach nur gerade über die Bundesstraße 30. Hier der Blick zurück. Wer von Görlitz direkt geradelt kommt, bitte vor der Orlen rechts.
Und so hab ich mich also bis zur ersten Erklärtafel gefriemelt. Ihr seht schon, dass ist im Grunde ein riesen Umweg und ein entbehrliches Abenteuer.
Und nun kann man staunen. Lagow ist die am meisten wachsende Ortschaft in der Landgemeinde Zgorzelec. Überall schießen immer neue Ein- und Mehrfamilienhäuser aus dem Boden. Dazwischen, vereinzelt, gibt es die alten Höfe von vor 1945. Das lädt wirklich zum staunen und genießen ein und macht diese Radtour aus: Häuser gucken!
Und so geht es von Lagow nach Jerzmanki/Hermsdorf.
Jerzmanki/Hermsdorf
Hermsdorf hat heute 864 Einwohner. 1941 waren es 1.031.
Jerzmanki hab ich in mehreren Ausflügen schon besucht und beschrieben (siehe Teil 1 und Teil 2). Die Idee mit dem gelben Radweg ist vor allem, alle Dörfer miteinander zu verbinden und auch mal rauszukommen aus einer geschichtlichen Herangehensweise und stattdessen in einen Erlebnisfaktor zu kommen. Was zählt ist doch letztlich das Heute!
Und so folge ich also gern dem Kreis der Landhausfrauen aus Jerzmanki bei Facebook und guck ein bisschen zu, was die Dorfbevölkerung so treibt. Unter anderem haben sie den Ort mit weißen Fahrrädern geschmückt. Es gibt auch regelmäßige Dorf-Entmüllungs-Aktionen.
Aber zurück zu meinem „Kampf“ mit dem gelben Radweg. Bei der ersten Tour war mir gänzlich unklar, wo der Abzweig von Jerzmanki nach Trojca/Troitschendorf sein soll. Es gibt nämlich wieder keinen Wegweiser und dafür den nächsten Minuspunkt.
Ich versuch es bei Tour Nr. 2 einfach mal an dieser markant gemauerten Scheune links rum.
Das wirkt auch erstmal toll. Hey, Offroad. Das entspannt ja immer total…
Okay, das Gras wird höher. Möglicherweise bin ich die Erste dieses Jahr, die hier mal entlang will.
Final endet mein Weg auf einer Anhöhe zwischen Feldern. Die Waldkante, hinter der die Bundesstraße 30 verläuft, ist unerreichbar weit weg.
In der Ferne sehe ich die Baumschule an der Bundesstraße 30.
Google Maps ortet mich irgendwo im nirgendwo. Ich gebs auf. Zwei Versuche, zwei Mal unklar. Liebes Abenteuer Neiße, ich habs echt versucht, aber das gibt schon wieder einen Minuspunkt.
Und so geht es zurück in den Ort und dort auf den roten Radweg. Das ist in sich keine doofe Idee. Man erlebt einfach noch den Ort Lauterbach und die Kolonie von Troitschendorf, was auf dem gelben Radweg gar nicht vorkäme. Und man hat eine befestigte Straße, ein paar Schilder und keine Zecken! (Hab mir bei dem Experiment nämlich eine aufgesammelt.)
Und so geht es zurück zur Kirche und dann die Baumkante links entlang.
Hallo roter Radweg, du bist jetzt mein Freund!
Dieses Jerzmanki macht echt was her für seine Bewohner.
Und damit geht es raus aus dem Ort und dem roten Radweg hinterher.
Bis hier hin ist übrigens die Landeskrone zu sehen. Auf einer Karte bin ich in etwa soweit weg, wie Markersdorf von der Neiße. Also im nahen Umland.
Gozdanin/Lauterbach
Lauterbach hat heute 110 Einwohner. 1941 waren es 172.
Schon die Einfahrt nach Gozdanin/Lauterbach macht Freude. Die Landschaft wandelt sich, wird hügeliger. Die Ortschaft liegt in einem Tal. Früher war das ein Anziehungspunkt für Wanderfreunde.
Ich mache Pause an einem süßen Rastplatz und schau in mein schlaues Buch zu den Dörfern östlich von Görlitz. Mir ist so, als sei hier irgendwo ein schöner Park aus dem 16 und 19 Jhd., angeblich.
Die vorhandene Tafel geht noch als Blindenschrift durch, aber lesbar ist darauf nichts mehr. Wer möchte dieses Mal den Minuspunkt?
Ich beschließe, kurz den roten Radweg zu verlassen und eine Runde durch den Miniort zu drehen. Das wird belohnt. An einem Christuskreuz, die in jedem Ort stehen, findet sich ein alter Denkstein für die zwei Gefallenen des ersten Weltkrieges. Traute Einigkeit von ehemaliger und heutiger Ortsgeschichte. Es kann so einfach sein.
Eine Tafel zeigt, dass der Denkstein schon einiges hinter sich hat. Um so mehr freu ich mich, dass er doch wieder stehen und „sein“ darf.
Dahinter gibt es eine mächtige Eiche. Ich vermute einfach, es ist die Friedenseiche von Lauterbach.
Passend dazu erzählt mir ein Erklärschild von den alten Bäumen im Ort und im Umland. 300 Jahre sind keine Seltenheit. Und da steht ja auch was von dem Hof/Park mit altem Baumbestand….
Hinter mächtigen Mauern und hohen Zäunen entdecke ich ein imposantes Gebäude, was ich ins Ende des 19 Jhd datieren würde und da sind auch gigantische Baumriesen, die alle die grüne Plakette tragen. Mehr wie ein Foto durch den Zaun wird es aber nicht.
Und damit geht es raus aus Gozdanin/Lauterbach und in die Kolonie von Troitschendorf.
Übrigens: Wer denkt, er hat ein großen Grundstück… Eine Radtour über polnische Dörfer relativiert so manchen deutschen Irrglauben 😉
Trojca/Troitschendorf
Troitschendorf hat 708 Einwohner. 1941 waren es 911.
Ich entspanne, was den verkorksten gelben Radweg angeht. Es sind vielleicht die alten Bäume, die Weite, das Grün, das Radfahren. Und so komme ich in die Trojca Kolonia, eine kleine Siedlung abseits des Hauptdorfes, wie ein Satellit.
Ein Schild erzählt mir was von einem Büßerkreuz. Na, das kennen wir schon aus Görlitz, aus Königshain, von überall. Infos dazu. Auf einem anderen Schild erfahre ich, das sich 1416 Bauern mit dem Grundbesitzer von Troitschendorf gestritten haben und ihn ermordet haben. Daraufhin wurde das Sühnekreuz aufgestellt am Tatort. Später, als dort eine Kohlegrube entstand, wurde es umgesetzt. *spannend
Die Kolonie von Troitschendorf besteht aus wenigen historischen Bauerhöfen und vielen neuen Eigenheimen. Mein Weg endet an der Bundesstraße 30. Hier gibt es jetzt ganz viel zu gucken und zu staunen. Und eine Ampel, um sicher auf die andere Seite zu gelangen. Pluspunkt – aber für den Roten Radweg 😉
Ins Auge sticht eine beeindruckende Villa. Sie wurde 1897 vom Görlitzer Architekten Friedrich Röhr erbaut. Der hat bei uns die Gewerbeschule (heute Hochschule) in der Furthstraße gebaut, die Villa Hagspihl in der Goethestraße, die Landskronbrauerei, die Eingangsportale der Straßburgpassage, sein eigenes Wohnhaus auf der Biesnitzer Straße 35. Die Prachtvilla auf dem Mühlweg 18. Und hier hinten, 8,2 km von der Stadtbrücke entfernt, die Villa Schwarz.
Kurz vor dem zweiten Weltkrieg verkaufte Herr Schwarz das Objekt an einen Brauerei-Inhaber in Dresden. Der Park war mit exotischen Pflanzen bestückt. Die Görlitzer machten hier her wohl gerne Ausflüge. Und jetzt O-Ton des Erklärschildes: „Heute erinnert nichts mehr daran, denn die Parkanlage fiel zum Opfer von polnischen Eigenümern.“ Aktuell steht sie zum Verkauf, falls wer einen echten Röhr an einer Bundesstraße haben will…
Und so lerne ich jede Menge am Erklärschild und bin perfekt vorbereitet auf Trojca/Troitschendorf.
Und endlich ist er wieder da, mein gelber Radweg.
Nur um im nächsten Moment an der nächsten entscheidenen Kreuzung wieder zu fehlen. Dafür mal ganz grundsätzlich ein Minuspunkt. Ein Radweg muss für Ortsunkundige und tendeziell Orientierungslose funktionieren. Es war beim ersten Versuch, den gelben Radweg zu fahren, tatsächlich die Kirche von Trojca, die exakt so klingt, wie eine Görlitzer Kirche, weswegen ich umkehrte und dem Klang nachfuhr – und den gelben Radweg wieder fand. Danke für die himmlische Unterstützung. Hier also rechts rum!
Und so komme ich in den Ortskern mit Kirche, mit Friedhof, mit deutschen Gräbern, mit Denkstein an Valentin Friedland, mit Schule, mit Museum. Und mit der rührenden Geschichte, dass sich vertriebene Deutsche aus Troitschendorf mit (ebenfalls vertriebenen) neuen Bewohnern trafen. Alle fanden wohl, dass diese Treffen dem gegenseitigen Verständis dienten und fortgeführt werden sollten.
Und so verlasse ich bewegt von der Geschichte des Ortes und noch bewegter von der Annäherung ehemaliger und heutiger Bewohner den Ort in Richtung Białogórze/Lichtenberg.
Białogórze/Lichtenberg
Lichtenberg hat 210 Einwohner. 1941 waren es 385.
Hier gab es mal ein Erdbeben. Daraufhin läuteten die Kirchglocken 2x außer der Reihe.
Die Kirche selber ist von einer Steinmauer umgeben, wie ein Ring. Um Ringe und Wälle geht es im Ort gleich nochmal…
Auch Lichtenberg erinnert noch an deutsche Kriegsgefallene.
Mein Buch sagt, Lichtenberg war ein ganz beliebtes Ausflugsziel, denn zwischen Bergen gelegen, sei es dort genauso schön, wie in Thüringen oder im Harz. Nur die Sache mit dem Tourismus klappt heute nicht mehr. Hier gibt es kein Hotel, kein Restaurant, keine Einkaufsmöglichkeit mehr.
Und so schickt mich mein gelber Radweg auch tatsächlich einen Berg hinauf. Die Landschaft erinnert mich an die Region zwischen Königshain und Arnsdorf-Hilbersdorf. Ich bin im Zgorzelecer Bergland angekommen.
Ich lande erneut an der Bundesstraße 30 und fahr ein bisschen auf dem Seitenstreifen (mit Licht!).
Bis ich an einem schön angelegten Rastplatz vorbei komme, von dem lauter Walkingstrecken abgehen durch den Wald, den eine alte Karte „Görlitzer Stadtwald“ nennt, nehwahr! Hier ist auch wieder mein gelber Radweg weiter Richtung Kieslingswalde. Darauf hab ich aber keine Lust: Waldweg? Sandig? Pfützen? Knie hohes Gras? Zecken? Ich entscheide mich für die bequeme Weiterfahrt auf der Bundesstraße 30.
Die Sache mit dem Wegewart… Minuspunkt!
Intuitiv hab ich alles richtig gemacht, dass ich auf der Bundesstraße 30 geblieben bin, denn ich lande an geschichtlich außerordentlich interessanten Hügelgräbern der Slawen aus dem 9 – 11 Jhd nach Christi.
Es sei die größte Anlage in Mitteleuropa. Im Sommer 1929 hatte sie der Görlitzer Archäologe Otto F. Gandern entdeckt. Nach 1945 buddelten dann polnische Archaologen weiter. Schilder erzählen das alles.
Das macht doch erneut ein bisschen nachdenklich. Als Germanen Görlitz „entdeckten“, fanden sie eine verbrannte Wallanlage. Wallanlagen bauten Slawen. Und weil es verbrannt war, nannte man den Ort „Brandstätte“ und das heißt auf wedisch „Zgorelic“, also Görlitz. Der Ort war der Burgberg, auf dem heute unsere Peterskirche steht. Zusätzlich hat man in der Nikolaivorstadt ein Gefäß gefunden, was sich auf 1.500 vor Christi datiertieren ließ (also 3.500 Jahre alt).
Wir erzählen uns die deutsche Besiedlungsgeschichte seit Stadtgründung 1071, also ca. 950 Jahre. Und das davor? Und das noch-davor? Die Slawen mit ihren Wallanlagen und dem größten Hügelgrab Mitteleuropas vor den Toren von Görlitz? Oder die unbekannten Töpfermeister von vor 3.500 Jahren? Vielleicht sollten wir beginnen, uns nicht Völker-Geschichten zu erzählen, sondern die Ortsgeschichten. Dann wird es zur Geschichte von MENSCHEN vor Ort. Und dann können auch deutsche Kriegsgräber neben polnischen Christuskreuzen stehen, wie in Gozdanin/Lauterbach und ALLES gehört eben dazu.
Wyreba/Stolzenhain
Ich radel mal kurz in den Landkreis Lauban…
Ich streife kurz die Kolonie Wyreba, um als nächstes mit einer feinen Linksabbiegerspur von dieser Bundesstraße wieder runter zu kommen.
Bin ich nun eigentlich raus aus dem alten Landkreis Görlitz? Nun, dass kann man so und so sehen. Bis 1753 ging die Kreisgrenze nämlich bis Lauban. Ich bin genau auf der Kreisgrenze von 1941. Ich denke, ich habe da ein bisschen Spielraum…
In Wyreba landet auf dem Ortsschild ein Ufo 🙂
Und dann geht es nach Sławnikowice/Kieslingswalde und damit ist es noch ein letztes Mal der gelbe Radweg.
Sławnikowice/Kieslingswalde
Kieslingswalde hat 309 Einwohner. 1941 waren es 670.
Über Kieslingswalde gäbe es vel zu erzählen. Immer wieder wüteten Feuerbrünste, so das Kieslingswalde schon 1776 sein erstes Spritzenhaus (Feuerwehr) bekam. Ein Sohn des Ortes ist Ehrenfried Walter von Tschirnhaus, der am 10. April 1651 auf dem Schloss Kieslingswalde geboren wurde – und welcher der eigentliche Erfinder des Porzellans ist. (Nicht Böttger!). Die von Tschirnhaus saßen 240 Jahre auf Schloss Kieslingswalde.
Weiterhin gehörte der „Hospitalwald“, der in den Flurstücken von Kieslingswalde lag, nach einer Schenkung „unseren lieben Frauen“ vom Frauenspital in Görlitz. Und weil Hans von Keselingswalde 1444 gut drauf war, schenkte er auch gleich noch den Bauern Heinrich Möller und seine Nachkommen dem Hospital in Görlitz. Auch wenn Kieslingswalde 15 km von der Stadtbrücke Görlitz entfernt liegt, so versteckt sich hier „hinten“ doch Stadtgeschichte von Görlitz – und sogar Weltgeschichte.
Die Kirche Kieslingswalde. Sie beherbergt(e) ein Grabmal für Tschirnhaus in lateinischer Inschrift. Heut befinden sich auf dem Gottesacker keine deutschen Gräber mehr, dafür Polnische von 1951. Das lässt es historisch erscheinen. Defacto erzählt der Friedhof aber nur 78 Jahre Geschichte – statt 900.
Schloss Kieslingswalde. Es ist das bedeutenste klassizistische Baudenkmal der Oberlausitz. Ab 1260 kennt die Chronik einen Gutsherren.
Bye Bye gelber Radweg
Damit endet mein Versuch, dem gelben Radweg von „Abenteuer Neiße“ zu folgen. Im weiteren Verlauf gilt er (laut Erklärschilder) als noch nicht fertig ausgebaut.
Zeit für die Abrechnung, du Lump!
6 Minuspunkte durch Zgorzelec, ein Pluspunkt. Im weiteren Verlauf nochmal 5 Minuspunkte. Das bedeutet definitiv durchgefallen und so nicht nutzbar.
Wir sollten aufhören, bei Eröffnungsfeiern rote Bänder durchzuschneiden, Händchen zu schütteln und uns auf die Schulter zu klopfen – wenn eine Sache hinterher nicht für die Menschen anwendbar ist!
Wir sollten aufhören Steuergelder in Millionenhöhe (siehe Projektgelder Abenteuer Neiße) rauszuballern, ohne die Folgekosten von Pflege, Reparatur und Wartung mit zu bedenken. Überhaupt frage ich mich, wofür die Steuergelder genau drauf gingen? Häufig gibt es keine Schilder. Nahezu alle Schilder sind „Aufkleber“ an Laternen. Und an den entscheidenen Stellen fehlt die Ausschilderung.
Eine extra Pflasterung oder Teerung des Strecke habe ich nur in Zgorzelec wahrgenommen. Ansonsten scheint es auf der gesamten Länge der Strecke so, als hätte man das vorhandene Straßennetz zum Radweg deklariert. Nun ist der Radfahrer also umgeben von Autos und LKW´s, die 100 km/h fahren und fährt Slalom um die Schlaglöcher oder pflügt sich durch Sandboden. Eine hübsche Broschüre mit winziger Karte, eine Homepage auf der man keine Streckenbeschreibung findet, ein paar (zerstörte, verwitterte) Erklärtafeln unterwegs machen doch keinen Radweg!
Hat eigentlich je außer mir jemand versucht ernsthaft den gelben Radweg zu nutzen?
Ich sehe es als meine Pflicht an, solche Wege auch im Ausland zu nutzen, wenn es doch meine EU-Steuergelder waren, mit denen sie gebaut wurden. Ich sehe es weiterhin als meine Pflicht an, ehrlich und wahrheitsgetreu über Missstände zu berichten.
Fazit: Durchgefallen (Stand Mai 2023).
Die Idee jedoch ist grenzgenial.
Der Rückweg
Für mich geht es nun zurück nach Görlitz auf dem grünen Radweg, der gleichzeitig die Via Regia ist, gleichzeitig die Via Sakra ist und bis Zgorzelec an 4 Schlössern vorbei führt. Und ja, es wird besser!
to be continued
Der Rückweg über Kieslingswalde, Grunau, Stagenhain, Leopoldshain, Zgorzelec.
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