Das Sterben der alten Bäume

Sturmschaden-Eiche-Loenscher-Park
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Alles begann 2015, wie mir ein Buch in der Stadtbibliothek in die Hände fiel „Unsere 500 ältesten Bäume – Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv“ von 2012. Natürlich schlug ich Görlitz nach und fand die Storcheneiche in Ebersbach, als einen der ältesten und dicksten Bäume weit und breit. Um die 10 Meter Umfang wurden ihr bescheinigt. Ich eilte hin und fand…. sie nicht mehr. In den 3 Jahren nach Erscheinen des Buches war sie verschwunden. Aber ich fand die Blitzeiche am Wassergraben vom Schloss mit beeindruckenden 7,1 Meter Umfang. *wow

Die dicksten Bäume von Görlitz

Nun wollte ich es aber selber wissen! Für Stadt Görlitz fand ich keine Einträge im Buch, aber mir fielen ein paar Kandidaten ein. Ich hielt mich an die Messmethode des Deutschen Baumarchivs und inspirierte mich mit der Liste der Naturdenkmale von Görlitz. Davon gibt es in
Görlitz 27 (Stand: 1997). Das sind diese Bäume mit den gelben Eulen-Schildern dran. Und ich klickerte mich durch die Onlinedatenbank vom Baumregister.

Die Mollerlinde

Die Geschichte ist schnell erzählt: Herr Moller wurde einer Schuld bezichtigt, schwor es nicht gewesen zu sein und sagte: Pflanzt diesen Baum mit der Krone im Boden. Wenn ich recht habe, soll er dennoch ausschlagen. Moller wurde verurteilt, der Baum gepflanzt und schlug aus.

Die Moller-Linde steht auf dem Nikolaifriedhof unweit der Nikolaikirche. Sie ist ca. 413 Jahre alt (Moller starb 1606). Ihr bescheidener Umfang liegt aber nur bei 4,88 m. ABER: Sie ist noch da! (Stand: 2019)

Mollerlinde

Die Sommerlinde auf dem Nikolaifriedhof

Unweit von der Mollerlinde war mein liebster Lieblingsbaum, eine Sommerlinde an der westlichen Mauer des Nikolaifriedhof. Im ganzen Stadtgebiet wusste ich keinen Baum, der dicker war, wie sie. 5,45 m Umfang. Um sie Gräber aus 16./17.-Hundert. Ein Hinweis auf ihr Alter.

Sommerlinde Nikolaifriedhof

Dann kam ein Unwetter Anfang August 2017 und ein riesiger Ast brach herunter. Er beschädigte dabei mehrere Grabplatten. Das Areal wurde weiträumig abgesperrt und der Baum bestmöglich mit Seilen gesichert. Hier ein Bericht mit meinen Fotos.

Sturmschaden 2.8.2017 der Sommerlinde Nikolaifriedhof

All das half nichts. Inzwischen ist der Baum entfernt.

Der Silberahorn im Stadtpark

Einer der liebsten Bäume vieler Görlitzer war der Silberahorn im Stadtpark. Er brachte es auf stattliche 5,34 m Durchmesser. Das entspricht ca. 3 Erwachsenen, die sich an den Händen fassen, um 1x drum rum zu kommen.

Silberahorn Stadtpark April 2015

Dann die traurige Nachricht aus der Silvesternacht 2017/2018. Knallkörper hatten ihn angezündet, die Feuerwehr musste 3x ausrücken. Geschafft hat das unser 200 Jahre altes Naturdenkmal nicht und brach 3 Tage später in sich zusammen. Siehe Bericht.

2018 kehrte der Silberahorn zurück ins Bewusstsein der Stadt in Form einer Naturinstallation zum ViaThea des Künstlers LaLa Podlacha. Neben Rollrasen und Ästen kamen vor allem der Überrest unseres Silberahorns aus dem Stadtpark zum Einsatz. Nun war der Silberahorn also Teil einer Naturinstallation. Die Görlitzer waren nach diesem Bericht mehrheitlich sehr traurig.
Fotos: Harry Beer

Naturinstallation im Rathaus Innenhof. Fotos: Harry Beer am 1.7.2018

Deswegen war ich gucken, was vom Silberahorn eigentlich übrig war:
„Wem heute Nachmittag die Mordgeschichte unseres Silberahorns aus dem Stadtpark ganz schön traurig war – für den hab ich noch einen kleinen Mutmacher: Unser Silberahorn schlägt nämlich wieder aus!
Wenn ihr euch mal völlig „ausgebrannt“ fühlt und schon „auseinander gebrochen am Boden liegt“, dann denkt an unseren Silberahorn! Der ist seinen Peinigern nicht ewig nachtragend. Der hat sich besonnen, was in ihm steckt. Der hat einfach nochmal seine 200 jährige Kraft zusammen genommen und lebt sein Leben weiter… „
Ein Beitrag vom 1.7.2018

Silberahorn im Stadtpark Görlitz, Foto: 1.7.2018

Die Weide an der Vierradenmühle

Am 27.9.2018 der nächste Schreck: Eine der alten Weiden an der Vierradenmühle hatte es entschärft. Einen Ast hatte sie noch. Die Hoffnung war, das dies zum Überleben reicht. „Wäre schade um die alte Dame. Sie ist die coolste von allen, wie sie da auf der Mauer lümmelt und der Neiße zuguckt.“ – Die Stadt Görlitz entscheid sich zur Fällung des Baumes.

Weide an der Vierradenmühle 28.9.2018

Am 21.2.2019 war die Ersatzpflanzung da.

Ersatzpflanzung Weide Vieeradenmühle, Fotos: Romy Winter

Eiche im Loenschen Park

Im Lönschen Park stand eine Reihe Eichen, wovon die Dickste es 2015 auf 4,30 m schaffte. Das ist durchaus lokal bedeutsam! National bedeutsam werden Linden ab 9 Meter Umfang und Eichen ab 8 Meter laut Deutschem Baumarchiv.

Eiche Loenscher Park 2015

Gestern nun – und das ist der Aufhänger zu diesem Beitrag – entdeckte ich, dass auch dieser Gigant von uns gegangen ist. Am Foto mein Fahrrad, ein 26er, damit man eine Größenvorstellung bekommt.

Umgekippte Eiche im Loenschen Park

Die mächtige Wächterlinde hat einen Ast verloren

Am Aufgang zur Landeskrone steht an einer Kreuzung mit dem Zickzackweg diese stattliche Linde, die wie ein Wächter mit erhobenen Armen den Wanderer prüft, ob er in guter Absicht kommt. Nun ist ihr frisch ein Ast abgebrochen, hat das Geländer durchschlagen und versperrt die Treppe.

Die ganze Landeskrone sieht aus, als hätten die Götter Mikado gespielt. Da die Landeskrone Naturschutzgebiet ist, werden nur die Wege freigeschnitten. Der Rest bleibt liegen. Dabei wäre es gut, jeden umgefallenen Baum zumindest mit einer Neupflanzung zu ersetzen. Schon mein Bio-Lehrer wusste in den 90ern, dass in den 2020er Jahren die Landeskrone wieder kahl sein wird (unabhängig von einem Klimawandel), denn wir haben eine Monokultur 1883 gepflanzt (Buchen). Monokulturen klauen sich untereinander die Nährstoffe, denn alle bevorzugen ja die selben, und sind deswegen nicht langlebig.

Die Aktion „950 Bäume für Görlitz“ hat 2021 ca. 350 Neupflanzungen notiert. Dahinter standen Sascha Röhricht und der BUND Ortsgruppe Görlitz. Auf der Landeskrone wäre viel Platz für weitere Bäume, um das Ziel zu erreichen. Derzeit liegen mindestens 200 umgefallene Bäume rum. Wir müssten es nur wollen…
Infos zum Zickzackweg
Aktion 950 Bäume
Ein Beitrag vom 2.1.2022

Was bleibt, wenn alles Alte geht?

In einem Video kam einmal der Satz vor, den die alten Germanen gesagt haben sollen: „Nehmt uns alles, aber nicht unsere heiligen Berge und uralten Bäume.“

Wer mal im Schatten der Ivenaker Eichen saß (Mecklenburg Vorpommern, Umfang 9 Meter, 1.000 jährig), wird wissen, was damit gemeint ist. Nichts, was man mit Worten erklären kann. Etwas, was man nur erahnen kann, wenn man sich bewusst macht, dass mancher Baum schon Könige und Kaiser kommen und gehen sah, viele Kriege überstand und dem Wetter der letzten 600-1.000 Jahre trotzte.

Friedhofs-Gartenmeister Gunther Weinert hat Mamutbäume gepflanzt. Bis die ihre 10 Meter Durchmesser haben, vergehen vermutlich noch einige hundert Jahre (Info).

Ideale Standorte für alte Bäume sind also Plätze, die keinem ständigen Wandel unterworfen sind: Friedhöfe, Parks, Innenhöfe, Privatgrundstücke. Und dann eine Portion Verstand und noch besser: Gefühl.
Ein Beitrag vom 28.4.2015, aktualisiert am 19.7.2019

Orte verbliebender alter Bäume in Görlitz

  • Friedhof Kunnerwitz
  • Dorfanger Weinhübel
  • Loenscher Park
  • Stadtpark
  • Nikolaifriedhof und Städtischer Friedhof

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