Die Feuerwehr der Stadt Görlitz hat am 26. November 2024 die Bürger eingeladen, die ganz
konkret mit ihren Wohnhäusern und Arbeitsplätzen bei einem Hochwasser im Stadtgebiet von
Görlitz betroffen sind. 20 waren der Einladung gefolgt und der Abend war sehr inspirativ und anregend.
Ich will davon erzählen.
Schneeschmelze und Starkregenereignisse
Die Frage ist nicht, ob ein nächstes Hochwasser kommt, sondern wann! Darin sind wir uns alle
einig. Hochwasser hat es immer schon gegeben, auch schlimme. Für meine historisch interessierten Leser
hier ein Bild von der völlig verschobenen Altstadtbrücke nach dem Hochwasser von 1903. 1905
wurde dann daneben die neue Altstadtbrücke gebaut. Siehe Foto.
Auch von 1897 gibt es ein dokumentiertes schlimmes Hochwasser. Siehe Foto.
Hochwasser sind also „normal“. Wenn früher allerdings die Schneeschmelze Hochwasser auslöste,
so haben wir das in den letzten Jahren fast gar nicht mehr. Dafür gibt es die Starkregenereignisse,
wie 2010 oder zuletzt im September 2024. Und wenn wir an die Bilder aus Tschechien und Polen
im September denken, oder aus Spanien diesen Herbst und nun England, dann wissen wir: Diese
Ereignisse nehmen derzeit zu.
Flussbewohner wissen wo sie wohnen
Das Leben am Fluss birgt diese Gefahr von Hochwasser in sich. Das ist jedem klar, der dort lebt
bzw arbeitet. Unsere drei Mühlen stehen mitten im Fluss: Die Obermühle, die Vierradenmühle und
die Kunstmühle in Ludwigsdorf. Das Parkhotel mit seiner Tiefgarage ist potentiell gefährdet. Die
Einwohner von Hagenwerder, Alt-Weinhübel, Uferstraße und Hotherstraße kennen es. Auch die
Einwohner der Neißeinsel in Ludwigsdorf.
73 Mal „Hallo, bei Ihnen kommt Hochwasser!“
Es sind im Stadtgebiet Görlitz 73 Telefonnummern, die die Feuerwehr Görlitz bisher angerufen hat,
wenn bestimmte Hochwasserstufen erreicht wurden. Dieser Service stammt aus einer Zeit, wo es
noch keine Smartphones und Apps gab. Diese Nummern nachts 3 Uhr durchtelefonieren, bindet
immer mehrere Mitarbeiter, die während eines Hochwassers ganz andere Aufgaben hätten. Nicht zu
vergessen, dass die regulären Aufgaben einer Feuerwehr ebenfalls weiter abgedeckt werden
müssen. Und letztlich ist der Anruf nachts um 3 unter dem Motto: „Bei Ihnen ist nun Stufe 3
erreicht“ auch zu spät, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Es ist also ein logischer Schritt, dass
die Flussbewohner nun fit gemacht werden sollen für Hochwasser – und der nächtliche Anruf damit
künftig entfallen kann.
Was kann man machen?
1. Bin ich betroffen?
Die erste Frage ist die, ob man überhaupt betroffen sein könnte? Dazu gibt es das Geo-Portal des
Landkreises, wo man sich für jeden Fluss das Überschwemmungsgebiet anzeigen lassen kann.
Dieses findet ihr hier.
Wie funktioniert es?
Ihr geht auf die Geokarte. Dort in der Suche (orange) „Hochwasser“ eingeben. Beide Themengebiete auswählen („Thema anschalten“). Das eine ist die Uferzone der Flüsse. Also auch Schöps, Pließnitz u.s.w., Das andere die Überschwemmungszone bei Hochwasser, also die Wiesen, Gärten, Grundstücke. Dann in der Karte zoomen, was ihr euch genauer angucken wollt.
Alle anderen können tatsächlich ein Stück weit entspannen.
ABER:…
2. Die Schaulustigen
Wenn man nicht in der Hochwasserzone wohnt oder arbeitet, bleibt noch das Thema mit der
Schaulustigkeit. Wir hatten im September eine Frau, die „nur mal den Wasserstand prüfen wollte“,
dabei mitgerissen wurde und sich nach 800 Metern am Ufer irgendwo festhalten konnte. Wäre sie in
die Todeswalze hinterm Wehr geraten, hätte das ganz böse ausgehen können. Hier ein Video zur
Todeswalze. Der Baum, der da „tanzt“, kam einen ganzen Tag nicht mehr weg.
Auch stockte unserer Feuerwehr Görlitz im September bei einer Kontrollfahrt der Atem, als eine
Kindergartengruppe an der Wasserkante lang spazierte, um mal zu gucken.
Bitte meidet solche „Ausflüge“ und beachtet unbedingt die Absperrungen.
Es gab auch Autofahrer, die mussten probieren, ob die B99 zwischen Görlitz und Hagenwerder
nicht doch befahrbar ist. Bei kniehohem Wasserstand auf der Bundesstraße, ist das unnötig und
gefährlich! Dann nämlich, wenn man die Straße nicht mehr sieht und deswegen von ihr abkommt.
Und auch, wenn Wasser in den Motorraum schwabbt und dann Mensch und Fahrzeug aufwendig
gerettet werden müssen.
Weil man bei Hochwasser nicht mehr sieht, wie hoch es eigentlich ist und vor allem, wie schnell es fließt und einen mitreißen kann, habe ich mal Vorher-Nachher-Fotos einer Hochwasserstufe 3 gemacht:
Bitte beachtet die Absperrungen der Feuerwehr unbedingt!
3. Pegelstände selber gucken
Kommt was oder kommt nüscht? Das ist die aller wichtigste Frage für Flussanrainer. Das Parkhotel
hat beim letzten Hochwasser auf einem PC-Bildschirm die Seite der Pegelstände aufgerufen und
regelmäßig aktualisiert. Das lief dort den ganzen Tag einfach mit. In Kombination mit eigenen
Erfahrungswerten wussten sie so, wann und ob sie handeln mussten.
Das kann jeder machen!
Die App dazu nennt sich „Meine Pegel“.
Herr Schramm, der Brandoberinspektor und Leiter 2. Wachabteilung unserer Feuerwehr Görlitz hat durch die App geführt. Ich gebe das gern weiter:
Zunächst also „zulassen“, dass die warnen darf. Sonst macht es ja gar keinen Sinn.
Bei den Nutzungsbedingungen muss man auf „weiter“ klicken, sonst geht es nicht weiter 🙂
Nun geht es drum, welcher Fluss interessiert. Das kann der am Wohnhaus sein, der an der Datsche, der im Urlaub, oder einfach der, wo man gerade ist (Standort).
Wir sind hier also in Görlitz. Die App funktioniert aber natürlich deutschlandweit!
Und nun geht es drum, der App zu sagen, was der „persönliche Favorit“ an Pegelmessstellen ist und wozu sie warnen soll. Deswegen unten auf die „Favoriten“ gehen.
Da jetzt suchen nach Elbe, Spree, Mandau, Schöps… in unserem Fall Neiße.
Und nun noch die Messstation eingeben. Hartau interessiert in Görlitz eventuell noch nicht. Podrosche dann nicht mehr. Es wird vielleicht Görlitz und Hagenwerder. ODER die Pließnitz und da die Messstelle Tauchritz. Ganz, wie ihr wollt.
Und im letzten Schritt ist wichtig, der App zu sagen, was sie nun machen soll?! Sich melden bei Niedrigwasser? Ab Stufe 1? Ab Stufe 2? Reicht eine Info bei Stufe 3? Das legt man über die drei Punkte fest:
Dort also „konfigurieren“ und den Wunschpegel eingeben und auch definieren, ob die App nur warnen soll bei Überschreitung, oder auch, wenn die Gefahr vor rüber ist, also bei Unterschreitung? Schnappt euch ein Kind oder Enkel und lasst Euch gern helfen beim Einrichten der App.
Die Pegel-App funktioniert deutschlandweit an jedem Fluss.
Wer nicht in die App gucken will, kann sich die deutschen und polnischen Wasserstände online am Computer oder mit dem Smartphone angucken.
Deutsche Pegel.
Polnische Pegel.
4. Sich warnen lassen
Es gibt verschiedene Warndienste, die schicken einen lauten „Pieeep“ mit einer Info dran, wenn
eine Gefahr droht. Die Feuerwehr Görlitz empfiehlt die App BIWAPP. Diese kann man sich
personalisieren auf seinen Standort und die Katastrophen, zu denen man eine Meldung erhalten
möchte (wie Feuer, Unfall, Giftgasalarm, Lawine, Hochwasser etc).
Da in die BIWAPP-App auch die lokale Feuerwehr oder der regionale Krisenstab Meldungen
hineinschreiben können, ist sie die beste Adresse vor Ort.
Auch hier gucken wir dank Herrn Schramms Zuarbeit, wie man die einrichtet:
Dort unter „Meine Orte“ einrichten, wofür ihr Meldungen wollt? Also wieder das Wohnhaus, die Arbeit, die Datsche, der Urlaubsort, wo die Kinder wohnen…
Und nun aussuchen, zu welcher Gefahrenlage die App piepsen soll! Wir warten alle ganz gespannt auf die erste Lawine in Niesky 🙂
Das wars schon. Absofort piepst es, wenn was ist.
Weiterhin gibt es die Apps NINA und KATWARN, die ähnlich funktionieren.
5. Sandsäcke
Unsere Feuerwehr Görlitz kann beim Hochwasser an vier Stellen im Stadtgebiet Sand
und Sandsäcke zur Selbsthilfe bereit halten. Allerdings sind Sandsäcke eher eine emotionale
Maßnahme ähnlich einer Beruhigungspille, die oft gar nicht so viel bringt. Mit Sandsäcken verstärkt
man Dämme. Für Wohnungstüren und Kellerfenster sind sie nur bedingt geeignet, denn nasser Sand ist nicht mehr so geschmeidig, um das Wasser abzuhalten. Und sie müssen vor allem „vorher“ angebracht werden.
6. Den Keller mit sauberen Wasser fluten
Klingt irre, ist aber eine Frage der Statik! Hochwasser, also Wasser von Außen, drückt mit großem
Gewicht. Es kann dann helfen, den Keller zu fluten, so dass der Druck ausgeglichen ist – und vor
allem das schlammige Wasser nicht ins Gebäude reindrückt.
7. Spundwände und Spanplatten
Auch dies ist eine Erfahrung des Parkhotels, mit der sie sehr zufrieden sind. Zwei Personen können
recht leicht diese Wände anbringen. Die Direktorin des Parkhotels Görlitz hat die anwesenden
Bürger zu einer Vorführung der Anlage eingeladen.
Auch ein Paar aus Hagenwerder hat sein Haus inzwischen mit diesen Spundwänden ausgestattet
und fühlt sich seit dem viel sicherer. Ihr Haus ist bei jedem größeren Hochwasser gefährdet.
Eine geeignete Vorrichtung sind auch noch Spanplatten, die man vor Türen und Fenster schraubt,
mit einer dicken Folie überzieht und alle Ritzen gut verspachtelt. Diese Idee hatte ein Vertreter der
Freiwilligen Feuerwehr für die Anwesenden.
8. Alles hochziehen und selbst ausziehen
Diese kreative Idee hat ein Bewohner des Erdgeschosses der Hotherstraße. Sein weniges Hab & Gut
zieht er an großen Haken an die Decke nach oben und verlässt letztlich die Wohnung. Er sagt, ich
hab nicht viel und auch nichts wertvolles und ich wohne nun mal fast im Fluss. Diese Idee ist sicher
für kaum jemand umsetzbar, verdient aber in jedem Fall eine Nennung in der Kategorie „kreativ
und tiefenentspannt“.
9. Was, wenn ich im Urlaub bin?
Ein höheres Gesetz will es, dass Hochwasser immer dann kommt, wenn man selbst gerade nicht da
ist. Hier bedarf es die guten Infos, wie sich der Blumen- und Postdienst im Freundeskreis verhalten
soll, wenn das gefährdete Objekt tatsächlich in der Urlaubszeit droht, Schaden zu nehmen.
10. Fahrzeuge weg fahren!
Wer bei Stufe 4 noch auf Uferstraße und Hotherstraße parkt, will es offenbar gern wissen, wie
kulant seine Versicherung ist 🙂 Bitte nicht machen! Keine unnötigen Risiken eingehen. Wir
erinnern uns alle an 2010, wie überall nur noch die Dächer der Autos raus guckten…
Soweit die wichtigsten Ideen, die diskutiert wurden mit dem herzlichen Angebot des Parkhotels an
die Flussbewohner, sich die Spundwände und deren Aufbau mal anzusehen.
11. Information!
Ein Anwohner der Neißeinsel in Ludwigsdorf wünschte sich bereits in der Vergangenheit eine Art
Informationsblatt, wo man aufgelistet findet, was man vor einer Schadenslage machen kann, wie
man sich während dessen verhält und an was alles nachher zu denken ist.
Dieses Informationsblatt wurde aktualisiert und angepasst. Es wurde im Rahmen des Informationsveranstaltung reichlich eingesteckt (auch gleich für Nachbarn) und es soll als Einlageblatt in einem der nächsten Amtsblätter der Stadt Görlitz erscheinen. Darin stehen dann viele weiterführende Infos zu den hier bereits genannten.
Gemeinsam sicher durchs nächste Hochwasser
Ganz wichtig ist der Feuerwehr Görlitz, dass jedes künftige Hochwasser OHNE
Personenschäden und ohne leichtsinnige Geschichten wie zuletzt im September stattfindet. Dass die
Bürger sich maximal gut selber vorbereiten können, die Pegel und Warnmeldungen selber im Blick
haben, auch auf die 93 Jährige Nachbarin achten, die erwartungsgemäß mit den Möglichkeiten am
Smartphone überfordert ist. Und dass alle rechtzeitig die Gefahrenzone verlassen.
Dann nämlich kann die Feuerwehr Görlitz die kritische Infrastruktur, wie unsere
Trinkwasserversorgung, das Klärwerk, verschiedene Dämme und Leitungssysteme beschützen, was
für Gesamt-Görlitz entscheidend ist – und weiß ihre fitten Bürger in maximaler Sicherheit.
Diese Veranstaltungsreihe wird fortgesetzt.
Eine Zusammenarbeit von…
Die Vorbereitung, der Abend und nun dieser Insider sind eine „Gemeinschaftsproduktion“ von der Feuerwehr Görlitz unter Leitung von Anja Weigel, die das Thema angeregt hat. Von hier kam der Inhalt des Abends, die Erklärung der Apps und der Flyer für die Bürger. Weiterhin die Freiwillige Feuerwehr Innenstadt, die den Veranstaltungsraum gestellt hat. Görlitz Insider und Creoflux, die Fotos zur Verfügung gestellt haben. Wir alle wünschen uns fitte Bürger bei Hochwasser-Situationen.
Hier unter dem Beitrag sind so bunte Symbole. Damit könnt ihr den Beitrag an Freunde teilen zu Facebook, Whatsapp, Instagram, Twitter, per eMail etc. Probierts mal aus!