Auf Spurensuche in Stangenhain

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Sommer, Sonne, Sonnenschein. Mich zieht es nach Stangenhain (heute Pokrzywnik). Es ist das zweit kleinste Dorf der Zgorzelecer Landgemeinden mit 47 Einwohnern in 20 Hausnummern, von denen 3e fehlen. Eigentlich ist Stangenhain nur eine Straßenkreuzung. Wenn da nicht…

Die MiG im Vorgarten

… wenn sich da nicht einer eine MiG-23MF Flogger B der polnischen Luftwaffe in den Vorgarten gestellt hätte. Es hat jeder so seine Hobbys.

Aber ansonsten ist da nichts. Außer natürlich…

Herrenhaus Stangenhain

… Das Herrenhaus Stangenhain, dass ein Görlitzer zwischen 1775 – 1790 errichten ließ. Das Schlösschen diente zuletzt (2011) drei betagten Witwen als Residenz. Aber vielleicht von vorn:

Foto auf der Radwanderkarte am Straßenrand

1463 wird das Dorf bereits urkundlich erwähnt als „furwerke czu Stangehain“. Also ein Vorwerk, um das herum sich eine Dorfgründung ergab mit eigenen Wirtschaftsgebäuden.

1534 heißt es schon Stangenhain. Der Name bedeutet, dass es sich um ein Zeilendorf am Bachlauf des „Stangenbach“ mit einer Straßenkreuzung handelt. Und sehr viel mehr ist dort ja bis heute nicht.
Das Gut war ein Lehngut und gehörte der Stadt Görlitz (da ist es wieder!). Und dieses Lehngut wurde verlehnt. Sprich, der Besitzer des Gutes bekam gleich ein paar Bauern dazu.

Über mehrere Generationen gehörte es der Familie Schwartze. Der Michel Schwartze war 1491, 1496, 1500, 1504, 1507 und 1517 Bürgermeister. Er wird als „im furwegke zu Stangenhayn gesessin“ genannt. 1769 übt immer noch ein Schwartz(e) die Grundherrschaft aus, der Chrisian. Familie Schwartze soll Namensgeber der Schwarzen Gasse in Görlitz sein.

1845 gehört der damals 111 Hektar große Hof dem Hospital zu „Unserer Lieben Frauen“ in Görlitz (Infos dazu hier). 1912 hat es ein Johannes Schreiber. 1937 ein Landwirt und Viehgroßhändler aus Schönberg (heute Sulikow) mit Namen Paul Döring. Nach 1945 ziehen 5 polnische Siedler ein. Zuletzt wohnen da die betagten Witwen.

Verstecktes Objekt

Ich komm nicht so richtig ran. Ein Schild sagt: „Privat Bereich – Eingang verboten.“ Das respektiere ich natürlich. Dafür sind Bauarbeiten zu hören am angrenzenden Wirtschaftsgebäude. Das ist ja generell sehr erfreulich.

Mir gelingt nur ein Blick auf die Rückseite. Es wird sich in den kommenden Tagen in einen Herbsttraum, gehüllt in roten Wein, verwandeln.

Ein bisschen gucken die zwei Schornsteine heraus. Ein bisschen das Walmdach. Mein schlaues Buch sagt: „Hinter den kleinen Fenstern unter der Traufe (Dachkante mit Dachrinne) liegt ein Drempelgeschoss (also eine Dachetage, wo die Wände bis in die untere Dachschräge gehen). Diese Fensterchen sind inzwischen blind. Hier drempelt gerade keiner mehr. Die Radwanderkarte am Wegesrand erzählt noch bisschen mehr:

Radwanderkarte am Wegesrand

Wir müssen uns also mit historischen Fotos begnügen.
Und viel mehr ist ja dann hier nicht, außer…

Schmidt´s Gasthaus

Was wäre eine Dorfkreuzung ohne Gasthaus? Stangenhain hat weder Kirche, noch Schule, noch Friedhof, noch Kriegerdenkmal, noch Fußballplatz, noch Feuerwehr – also nichts, was ein deutsches Dorf bis 1945 ausmachte. Aber einen Gasthof! Dazu gibt es natürlich ein historisches Foto. Ich schieße ein klägliches Foto seiner Überreste.

Schmidt´s Gasthaus in Stangenhain

Ich klick in polnischen Karten rum. Das Grundstück hat 4.476,7 m² und ein bisschen Nebengelass. Je nach dem, wem die unbebauten Nachbargrundstücke gehören und ob die noch gebraucht werden, ließe sich die Fläche erweitern. Man könnte Einwohner Nr 48 werden.
Mehr ist dann aber wirklich nicht mehr….

„Dorfzentrum“

… außer die Bushaltestelle mit Litfaßsäule, Spielplatz und Radfahrkarte an der Straßenkreuzung nach Leopoldshain (Lagow), Gruna (Gronow), Troitschendorf (Trojca) und Florsdorf (Zarka Wies). Dahinter fließt der Stangenbach.

Und die Via Regia geht hier durch.

Via Regia und gut ausgebaute Radwege.

Mein Navi für die Hosentasche macht es nochmal deutlich: Eine Kreuzung, 20 Hausnummern (abzüglich 3) und viel „Nichts“.

Eigentlich erzähle ich nur über Stangenhain, weil es das Puzzelstück ist zwischen den Dörfern am Hennerdorfer Wasser, die ich schon besucht habe – rüber zu den Dörfern am Lauterbach, die ich als nächstes besuchen will.

Auf dem Heimweg denke ich über das viele „Nichts“ nach…

„Platz haben“

Mich faszinieren die Grundstücksgrößen. Haus Nr 11 (mit der MiG) ist 6.127,8 m² (0,6 ha). Daneben Haus Nr 10 (der Schrottplatz) ist 11.871,3 m² (1,18 ha). Daneben in der Nr 8 (gehört der Jagdunion) stand neulich ein Pony allein auf 3.899,7 m². Das Haus schien unbewohnt und ganz dem Pony zu gehören. Bei Haus Nr 7 scheint die Zeit stehen geblieben, aber jemand pflegt es. Dahinter Brachland von 2.994.8 m².

Das Herrenhaus (Nr 1, 2 und 3) hat 6.052,5 m². Schmidts Gasthof (Nr 4) besagte 4.476,7 m². Haus Nr 13 hat 4.037,4 m² und gehört zur Hälfte ein paar Hühnern. Was macht man auch mit so viel Platz?

Ich überlege, wo wir in Stadt Görlitz vergleichbare Grundstücksgrößen in Privatbesitz haben könnten? Wenn ichs mir recht überlege, weiß ein Städter gar nicht mehr, was Platz eigentlich bedeutet. Wir leben gestapelt in Mehrfamilienhäusern und freuen uns, falls es einen Balkon gibt. Irgendwann haben wir uns begonnen, mit weniger zufrieden zu geben, wie wir vielleicht haben könnten. Die 47 Menschlein in Stangenhain wissen es noch, was „Platz haben“ bedeutet…

Ortsein- und Ausgang. Schmale Verbindungsstraße. Aller 3 Minuten ein Auto.

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