Weiter geht die Fahrt am Hennersdorfer Wasser Flussaufwärts. Die nächste Ortschaft ist Leopoldshain (Lagow). Hier gibt es zwei Schlösser/Rittergüter, viel Stadt Görlitz Geschichte und neue Wohnpaläste, die Biesnitz in den Schatten stellen. Ich war mir das angucken…
Navi für die Hosentasche
Vorbereitung ist alles. Wo will ich hin, wo geht es lang? Zu Hause einmal gemalt, ist schon fast verstanden. Ich stell es mal hier oben an. Das verdeutlicht ein bisschen, wovon ich erzähle.
Anreise ins Emmerichdorf
📌 Ich nehme auch an diesem Tag den Weg über die historische Lindenallee am Stellmacherhaus (nicht in der Skizze), wie auch schon 2018. Hier die Erklärung.
📌 Denkbar wäre auch, tatsächlich dem Hennersdorfer Wasser flussaufwärts zu folgen. Man landet genau am Schloss.
📌 Shoppingfans werden wissen, dass es am Carrefour, Leroy Merlin und der Rollschuh/Schlittschuhbahn direkt nach Lagow/Leopoldshain geht.
Von der Stadtbrücke Görlitz bis zur Kirche Leopoldshain sind es Luftlinie 3,3 km. Kein Wunder also, dass diese vorgelagerte Ortschaft schon immer zur Geschichte von Görlitz gehörte.
Die Geschichte von Leopoldshain
Um 1200 wird der Ort von einem Leuthold, vielleicht auch Leuther, Lewter oder Luther gegründet. So richtig klar ist das nicht, denn es gibt in den Geschichtsbüchern 22 unterschiedliche Schreibweisen, bis es sich auf „Leopoldshain“ einpegelt. „Hain“ macht auch Sinn. Im Grunde besteht der Ort aus viel Wald und Wasser. Es war in jedem Fall eine deutsche Besiedelung (keine slawische).
Bereits im 15. Jhd war das Dorf herrschaftlich geteilt in Ober- und Nieder Leopoldshain. 1481 erwarb Emmerich das Schloss (Nieder) und 1493 den anderen Teil (Ober). *Bämm, da ist es wieder, dass Dörfer Monopoly.
Von Emmerich ausgehend blieben beide Güter fest in Görlitzer Hand. 1913 fiel Ober-Leopoldshain an die Stadt Görlitz. Das Schloss (Nieder) blieb bis 1945 in adeligen Händen. Danach kam für beide Objekte eine Zeit als polnisches Staatsgut. 1989 kauft Robert Glass, ein Pole mit deutschen Wurzeln und deutscher Frau (eine Vertriebene aus Lodz), das Schloss und begann die Sanierung. Ihm ist es zu verdanken, dass dieses bedeutende Renaissanceschloss gerettet wurde.
Schon in den 30ern erweitert sich Leopoldshain. 1939 heißt es: „Hier sind bereits an die 40 Ein- und Mehrfamilienhäuser entstanden, die heute den Eindruck eines vollständigen Ortsteiles vermitteln. Jedes Anwesen wirkt sauber sowie freundlich, und die weitere Entwicklung der Waldsiedlung wird sicher gute Fortschritte machen, zumal durch die regelmäßige Autobusverbindung mit Görlitz das Dorf den Charakter einer Vorortgemeinde erhält.“ Vom Klinikum Görlitz fuhr der Bus nach Leopoldshain.
Und so zählte der Ort 1941 bereits 1.058 Menschen, die 1945 alle ihre Heimat verlassen mussten.
Von allen Dörfern des alten Landkreis Görlitz ist Leopoldshain die Ortschaft mit dem größten Bevölkerungszuwachs. 2015 waren es 1.305 Menschen. (Übersicht)
Und irgendwo müssen diese neuen Einwohner ja hin. Sicher nicht in die bäuerlichen Puppenstuben von 15 Jhd bis 1945! Exakt das macht Leopoldshain so spannend: Es sind die vielen neugebauten Einfamilienhäuser, die Biesnitz locker in die Tasche stecken. Der Pole baut groß, fürstlich, ziemlich us-amerikanisch, bunt, schnell. Hier und da blättert schon wieder der Putz in großen Stücken ab und vor der beeindruckenden XXL Villa steht dann nur ein Kleinwagen. Aber wie wusste schon Liselotte Pulver im Spukschloß im Spessart? „Die Hauptsache ist der Effekt“ (hören). Der ist definitiv gegeben.
Ich stell mich genau darauf ein, dass ich kein historisches deutsches Dorf vorfinde, sondern ein Dorf, was sich weiter entwickelt hat. Dazu gehört nicht nur das Gewerbegebiet, was – von Castorama über Carrefour bis Leroy Merlin – alles auf Lagower Flurstücken steht. Dazu gehören auch die polnischen Prachtbauten.
Ober Leopoldshain
… Dazu gehört auch, dass es keinen strengen Denkmalschutz gibt und scheinbar die Frage lautet: Reißen wir die Hütte ab oder machen wir was draus? Und so muss ich ganz schön schlucken, als ich nun wieder Mal am Rittergut Ober Leopoldshain stehe, das Bartholomäus Gehler 1708 kaufte (Bürgermeister von Görlitz, 1661* – 1715†) und seine Erben Ende des 18 Jahrhunderts erbauen ließen.
Vom Vierseithof stehen noch 2 Seiten. Alles ist komplett entkernt. Während meine Unterlagen schwärmen von 12 Fensterachsen, 2 Korbbogen Portalen sowie Krüppelwalmdach mit Fledermausgauben, finde ich noch die 12 Fensterachsen. „Wie? Was? Emmerich? Gehler? 1780? Historisch? Weg mit der Hütte!“ Hier muss man als Historiker echt ganz schön tapfer sein und sich sagen: Immerhin, es wird was draus gemacht…
Nieder Leopoldshain
Kein Besuch in Leopoldshain, ohne fix am Schloss vorbei zu cruisen. 1580/81 für Michael Ender von Sercha gebaut. Sein Vater, Martin Ender, war Görlitzer Kaufmann (Dörfer Monopoly!). Der Sohn von Michael, Carl, war großer Beführworter von Jakob Böhme. Er kopierte das Erstlingswerk „Aurora“ und war es auch, der Böhme zum weiterschreiben von „Beschreibung der drei göttlichen Wesen“ brachte. Böhme-Fans müssen zum Schloss. Hier wurde zwischen 1612 – 1619 Geschichte geschrieben!
1646 erlosch das Geschlecht der Enders und Christiane Friederike Geißler, der schon Rittergut Ober-Leopoldshain gehörte, kaufte das Schloss dazu. Die Geißlers in weiblicher Linie behielten es bis 1945.
Und noch mehr Geschichte wurde im Schloss geschrieben:
1620 war der Hohenzollernfürst, Georg von Jägerndorf (ein General des Winterkönigs Friedrich von der Pfalz) längere Zeit hier und schlug sein Hauptquartier auf. 1680 wohnte hier der Kurprinz und spätere Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen. 1633 war das Schloss Hauptquartier Wallensteins im 30-jährigen Krieg.
Blos gut, die Schlossanlage wurde nicht entkernt, zur Hälfte abgerissen und ihrer Fenstergauben beraubt. Weitere Fotos siehe hier.
Touristenleitsystem auf deutsch
Sehr erfreulich sind die vielen Hinweisschilder im Ort – auf deutsch. Es führen zwei Radwege und der Jakobsweg durch den Ort. Deswegen Wanderschuhe an/aufs Rad und „Tagesausflug“ machen.
Auf Spurensuche
Ein deutsches Dorf bestand meist aus Kirche, Schule, Gasthaus, Feuerwehr, Freizeitanlagen, großen Höfen und Bauernhäusern.
Die Kirche von Leopoldshain wird 1400 erstmals urkundlich erwähnt. Zunächst war sie eine Kapelle zur Einkehr der Reisenden an der Fahrstraße nach Lauban. 1416 wird es eine Pfarrkirche und untersteht dem Bautzener Erzbischof. Heute ist es die katholische St. Anton Kirche. (historische Postkarten)
Der dazu gehörige Friedhof birgt keine deutschen Gräber mehr (wie in Hennersdorf). Einzig eine deutsche Epitaphie kann ich finden.
Neben der Kirche befand und befindet sich die Grundschule. Kinder der Klasse 1 – 6 aus Leopoldshain, aber auch Hennerdorf und Hermsdorf gehen hier zur Schule. 2002/2003 wurde sie saniert. (historische Fotos)
Im Norden des Dorfes, gleich beim Schloss steht eine ehemalige Getreidemühle.
An der Dorfstraße befindet sich das ehemalige Postamt. (historische Fotos)
Das ehemalige Gasthaus „Deutsche Eiche“ steht leer. (historische Fotos). Gleich gegenüber liegt das Gasthaus „Zum schwarzen Adler“.
Ganz am Ende der Ortschaft Richtung Lauban, im Abzweig Stangenhain und Gruna (Pokrzywnik i Grunow) war bis vor paar Jahren das Gartenlokal „Zum Schwager“. Jetzt ist es Szarlotkas „Goldbrauner Apfelkuchen“.
Damit endet schon meine Spurensuche.
Ich fahr mir noch den Sportplatz angucken. Der hat einen Teich mit Grillplatz, was ich sehr cool finde.
Den Rest der Zeit cruise ich staunend durch die Villen und Minischlösser, allerdings ohne Fotos zu machen aus Respekt der Privatsphäre gegenüber. Das müsst ihr Euch wirklich mal selber reinziehen!
Man findet ganz vereinzelt noch kleine, leere Bauernhäuschen, wie sie auch in Ludwigsdorf oder Zodel rumstehen könnten.
Und einen ulkigen Versuch, aus so einem Bauernhaus eine Ritterburg mit Pflastersteinen zu machen 🙂
Am Ortsausgang Leopoldshain nach Hermsdorf (Jerzmanki) ist das Hennersdorfer Wasser immer noch bei mir und in der Ferne grüßt die Landeskrone. Nach Hermsdorf geht bei Gelegenheit die Reise weiter…
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