Ich nehm nochmals den selben Weg über die Hermsdorfer Straße nach Hermsdorf. Hole noch zwei Bilder, die im Donner, Blitz und Hagelsturm beim ersten Anlauf verwackelt sind für Teil 1. Dann interessiert mich die Sichtachse von diesem „Langen Berg“ auf Görlitz und ich betrete den inzwischen hier angelegten kommunalen Friedhof. So groß, wie unser „Alter Friedhof“, jedoch voll belegt, da die katholischen Polen Einäscherung fast gar nicht nutzen. Dafür wirkt jedes Grab, als wäre ein Staatsmann verstorben: Grabplatten aus Marmor, Grabsteine mit Fotos, ein Blumenmeer – besonders am Wochenende. Von hier oben gelingt diese Sichtachse auf die Landeskrone.
Dann interessiert mich die Sichtachse vom „Langen Berg“ auf das „anmutige Landschaftsbild“ der umliegenden Dörfer. Und tatsächlich, mein Blick geht gar nicht mehr völlig ins Leere. Ich erkenne die Kirche von Hermsdorf – mein heutiges Ziel.
Ich nehme wieder den Weg durch den Schlosspark und bin mir dieses Mal ganz sicher, einen Mauerrest vom Schloss im Dickicht entdeckt zu haben. Dann faszinieren mich die hunderten Schwalben, die in dem maroden Gemäuer des alten Wirtschaftshofes perfekteste Bedingungen finden. Bei uns leiden sie, da alle Mauerritzen zusaniert werden, so dass sie nirgends mehr ihre Nester ankleben können.
Zweit älteste Kirche der Region
Und dann bin ich bei der Kirche. Sie soll 1260 errichtet worden sein aus Basalt von einem Steinbruch östlich von Hermsdorf, der „Goldene Höhlen“ („złote jamy“) genannt wird. Nur die Kirche in Jauernick kann da mithalten. Diese wurde bereits 1230 gebaut. Ich stehe vor dem zweit ältesten Kirchenbau der ganzen Region. 760 Jährchen alt. Ihr Stil: Romanik.
1346 wird sie zur Pfarrkirche ernannt. Der Turm ist 30 Meter hoch und seine Mauern sind unten 2 Meter dick. Oben im Glockenstuhl sind es immer noch 1 Meter. Die Glocken stammen von 1470, 1479 und 1508.
1517-1518 wendet sich die Gemeinde an den Rat der Stadt Görlitz und bittet um finanzielle Unterstützung beim Umbau der Kirche. Bis dahin hatte sie eine Holzdecke und soll nun ein Kreuzgewölbe bekommen. 1579 ist es dann soweit. Verwaltungswege waren schon immer lang 🙂
Zufällig ist offen. Ich husch mal rein.
Der Altar stammt von 1617 und trägt die Initialien von Schachmann, dem Stifter (Spender). Sie gehört zu den wertvollsten Sakralbauten der ganzen Oberlausitz.
Friedhof
Zunächst wurde rund um die Kirche beerdigt. (historisches Foto)
Der neue Friedhof existierte laut einer alten Karte bereits 1939, wie ein Leser heraus fand. Bis heute wird hier beerdigt. Er liegt etwas entfernt von der Kirche, verbunden über eine Lindenallee.
Ich suche nach Resten deutscher Grabsteine. Ich finde noch was. Grabstein-Recycling oder so.
Das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des ersten Weltkrieges soll noch da sein. Ich finde es auf der anderen Seite der Kirche, kann die Schrift aber nur noch erfühlen, nicht mehr lesen. Zwei Mal Bruno, ein Johann, ein Willi. Der Rest wurde weggemeißelt. (historische Fotos)
Schule, Pfarrhaus, Post, Gasthof
Gleich gegenüber des Kriegerdenkmals steht die Schule. (historische Fotos)
1885 erbaut, ist sie heute erweitert und das Gymnasium, in das 250 Schüler aus über 20 Dörfern die Klassenstufen 7-9 besuchen.
Das alte Pfarrhaus steht gleich neben der Kirche und sieht aus, als hätte es einen Turm. Das ist natürlich der Kirchturm dahinter.
Eine Gastronomie sucht man heute in Hermsdorf vergeblich. (Außer den Dorfladen mit Sitzecke, aus der es lallt). Der alte Gasthof mit Fleischerei von H. Heinrichs stand genau neben der Kirche. Er ist inzwischen Wohnhaus. (historisches Foto). Ebenso der ehemalige Gerichtskretscham bei der Schule (andere Seite Kirche). Der hatte einen großen Saal, den es inzwischen nicht mehr gibt. (historische Fotos).
Die alte Post steht gleich neben dem Pfarrhaus, versteckt sich allerdings so in hohen Bäumen, dass ich kein Papparazzi spielen will. Und so habe ich den ganzen historischen Dorfkern gefunden und mich dabei nur um die Kirche bewegt. Und ja, es ist tatsächlich nur ein Bruchteil der Fläche des Schlosses und seiner Güter.
Bahnhof
Ich will nochmal zum Bahnhof, muss allerdings 2x aufs Navi in der Hosentasche gucken, denn die Straßen sind so schmal, dass ich immer unsicher bin, ob es nur die Zufahrt auf ein Grundstück ist oder eine offizielle Straße. Dorf vor 1900 eben.
Schon 1923 war die Strecke Lauban Görlitz elektrifiziert. Mit seinem Bahnhof hatte Hermsdorf einen Anschluss an die schlesische Gebirgsbahn. Übrigens wäre es nicht abwegig gewesen, dass Hermsdorf eines Tages nur noch ein Vorort von Görlitz ist, wie Rauschwalde oder Weinhübel heute. Die damaligen Bautätigkeiten im Ostteil der Stadt wiesen diese Tendenz durchaus auf.
Europäische Gelder für Radwege, Rastplätze, Spielplätze
Dann kommt das nächste Gewitter und ich flüchte zu einem Bushäusel. Eigentlich stehen auf meinem Zettel noch eine alte Ziegelei (historische Fotos), die Luisen Grube – eine Kohlegrube und heute ein See (historische Fotos), aus denen das Hennerdorfer Wasser kommt.
Das Bushäusel steht an einer schönen neuen Anlage für Radreisende mit Sportgeräten, Spielplatz, Lagerfeuerstelle, Picknick-Bänken, Schachbrett.
Die gesamte Region ist ausgebaut und ausgeschildert. Man kann sich die ganzen Dörfer um Görlitz mit all ihren Schlössern und Herrenhäusern, Kirchen und Bergen reinziehen und wird niemals verloren gehen!
Auf dem Rückweg finde ich noch den ehemaligen Kindergarten für die Kinder der Angestellten auf dem Schloss-Areal.
Wendel Roskopf und die Pest
Zwei Geschichten aus Hermsdorf sind unerzählt geblieben. Wendel Roskopf wurde hier zwischen 1485–1490 (weiß keiner so genau!) geboren, der große bekannte Baumeister. Ihm werden der Erweiterungsbau der Görlitzer Nikolaikirche 1519, eine Brückenanlage über die Neisse (1536), zwischen 1537 und 1538 die noch heute bestehende Verkündungskanzel am Rathaus und die Errichtung eines Zierbrunnens zu Görlitz 1540 auf dem „Neumarkte“ (Obermarkt) zugeschrieben. Nach dem Stadtbrand 1525 schuf Wendel Roskopf 1526 den Schönhof in Görlitz, das erste Renaissancebauwerk der Stadt. Die Liste ist keinesfalls vollständig, denn Wendel Roskopf war auch viel im Umland tätig (bis Breslau).
1463/64 tobt die Pest um Görlitz. Die Ortschaften um Görlitz wirkten ausgestorben, berichtete ein Chronist. Auf den Feldern stand noch das Getreide, aber es war niemand mehr da, der es hätte ernten können. Im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) kam sie nochmals zurück. Sie raffte 200 Menschen hinweg – auch in Hermsdorf.
Entlang des Hennersdorfer Wassers
Das War meine kleine Entdeckungstour. Hier nochmal alle Beitrage:
Der Teufelsstein bei Görlitz
Schloss Ruine Hennersdorf
Auf Spurensuche in Hennersdorf
Auf Spurensuche in Leopoldshain
Auf Spurensuche in Hermsdorf – Teil 1 Schloss
Damit endet die Reise entlang des Hennersdorfer Wassers.
Die nächste Ortschaft in dieser Richtung ist Ober-Schönbrunn. Es gehörte nie einem Görlitzer Ratsherren und auch nicht zur Stadt Görlitz. Bis heute gibt es keine direkte Verbindungsstraße zwischen Hermsdorf und Ober-Schönbrunn.
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