Der nächste Ort hinter Leopoldshain entlang des Bachlaufs ist nun Hermsdorf. Namenhafte Söhne hat der Ort hervor gebracht. Die älteste Kirche (nach Jauernick) der Region steht hier. Im 15. Jhd hielt uns Hermsdorf die Hussiten vom Hals und wurde selbst schwer getroffen. Und es ist wieder ein Emmerich und Frenzel Dorf.
Anreise
Variante 1 ist einfach dem Flusslauf des Hennersdorfer Wassers weiter zu folgen, schon ist man in Hermsdorf.
Mich begeistert jedoch Variante 2.
In einem alten Wanderführer von Anfang des 20. Jhd steht der alte Weg, den ich nehmen will. Und so heißt es:
„Von der Reichenberger Brücke…
… über die Prager Straße…
… die Trotzendorfstraße hinauf…
… dann rechts in die Hermsdorfer Chaussee…
… vorbei an der einstigen Kleist-Kaserne…
und dem früheren Henneberggarten…
… die Eisenbahnstrecke Moys – Kohlfurt überquerend bis zur Stadtgrenze.
Weiter war Anfang des 20 Jhd die Stadt noch nicht gewachsen. Der alte Wanderführer sagt weiter: „Nach Überschreiten des Langen Berges (220 Meter)…
… „bietet sich auf dieser Wegstrecke ein anmutiges Landschaftsbild.“
Hier ist nun ein Gewerbegebiet mit der Reifehalle von Cytronex und Tankstelle.
Und dann erahne ich das ehemalige „anmutige Landschaftsbild“ überm Parkplatz der Cytronex Zentrale.
Das anmutige Landschaftsbild meint „Leopoldshain und Hermsdorf. Dahinter die Leopoldhainer und Hermsdorfer Forsten, überragt von den Grunaer und Kieslingswalder Berge. Darunter sind der Grunaer Berg, der Scholzenberg und die Folgekrone oder der Hutberg bei Neu-Kretscham als höchste Punkte zu nennen.“
Mein Blick geht noch immer ins Leere. Es war eben nicht mehr in der Muttermilch drin, wie die Landschaft im Osten aussieht und heißt. Eines Tages kann ich es wieder erkennen!
Ich fahr dann ein Stück Umgehungsstraße (352) und nach wenigen Metern kommt der Abzweig Lauterbach (Gozdanin) und Hermsdorf (Jerzmanki).
Blick zurück zur Landeskrone.
Und dann bin ich auch schon da. Es ist genau der Punkt, wo der Beitrag zu Leopoldshain endete.
Die alten Wege
Warum finde ich den alten Weg so wichtig?
Sie helfen die alten Geschichten zu verstehen. Tatsächlich gab es nicht nur einen Weg von Görlitz nach Lauban – der über Leopoldshain und dann auf der großen ausgebauten Fahrstraße (30).
Es gab noch einen zweiten: Genau der soeben beschriebene nach Hermsdorf und weiter nach Lauterbach (Gozdanin) und Geibsdorf (Siekierczyn) bis nach Lauban (Luban). Und genau über diesen zweiten Weg kamen die Hussiten, die 1426 die Oberlausitz überfluteten. Hermsdorf litt damals schwer. Aber es rettete am Ende Görlitz. Auch Moys hat schon mal eine Schlacht von Görlitz abgehalten.
Und wenn wir wieder auf das Navi in meiner Hosentasche gucken, dann ist der Weg tatsächlich eine relativ gerade Achse nach Osten, nach Lauban.
Emmerich, Frenzel, Schachmann
Die Ortschaft entstand im 13. Jhd, gegründet von einem Hermann. Noch bis ins 17 Jhd hieß die Ortschaft Hermannsdorf und wurde danach verkürzt auf Hermsdorf. Nach 1945 wurde das Dorf umbenannt in Podlasie. Der Name, den es heute trägt, ist die polnische Entsprechung von Hermann, nämlich Jerzman. So erklärt sich Jerzmanki.
Das Dörfer-Monopoly der reichen Görlitzer Ratsherren um das Gut Hermsdorf begann hier schon vor Emmerich:
1407 Bernhard Canitz (Bürgermeister Görlitz)
1407 – 1409 Niclas Rosen
dazwischen noch ein Peter Bartholomäus
1446 Christoph Utmann, dessen Erben es bis 1483 bewirtschafteten.
Dann ist Georg Emmerich dran. Nach seinem Tod geht es an Tochter Barbara. Und dann rutscht es rüber zu Joachim Frenzel, der Sohn vom unfassbar reichen Hans Frenzel. Ihm gehörte auch Königshain. Und so verwundert es auch nicht, dass es von Joachim Frenzel 1564 rüber zur Familie Schachmann rutscht. Das ist der gleiche Erb-Weg, den auch Königshain nahm!
198 Jahre bleibt nun Hermsdorf bei den Schachmanns. Hier wird Carl Adolph Gottlob von Schachmann 1725 geboren. Das ist der, der das neue Barockschloss in Königshain baute. Der Mitbegründer der Oberlausitzschen Gesellschaft der Wissenschaften war. Der den ersten Blitzableiter der Oberlausitz installieren ließ. Und der 10 Jahre vor allen anderen die Frondienste seiner Untertanen aufhob. Schachmann war mit „seltenen Geisteskräften“ begabt. So sprach er mehrere Sprachen akzentfrei, verfasste Schriften und illustrierte sie gleich selbst mit Kupferstichen. Hermsdorf musste ein guter Ort gewesen sein, um so vortrefflich zu gedeihen.
1762 gelangt Hermsdorf nochmal zurück zu den Emmerichs (zum letzten Emmerich-Erben).
Es war einmal das Schloss
„Das Areal des Rittergutes war einstmals so groß wie das aller Dorfbewohner zusammen“, heißt es. Ich erwarte etwas riesiges, auch wenn ich schon vorab weiß, dass das Schloss in den 70ern „abgebrochen“ wurde. Reste der ehemaligen Wirtschaftsgebäude sollen noch existieren, aber wohl in schlechtem Zustand. 500 Jahre Geschichte futsch.
Das Erste, was ich erblicke ist die lange Mauer um den Schlosspark. Sie ist gut 500 Meter lang aus alten Bruchsteinen, wie auch die Stadtmauer von Görlitz.
Dann erreiche ich das alte Forsthaus am Rande des Schlossparks.
Da ein Mann mit dem Rad durch das Tor radelt und im Schlosspark verschwindet, mach ich das einfach auch.
Der Schlosspark ist zugewuchert, die Wege fast verschwunden und alles übel vermüllt. Ich gelange zu einem gigantischen Wirtschaftshof. Alte Ställe für Pferde und Kutschen, darüber bis heute genutzter Wohnraum.
Das Wirtschaftsgebäude links nochmals von der Straßenseite mit Toreinfahrt. Wirklich XXL.
Über die Straße noch so ein auffälliger Bau. An ihm ging es weiter über eine alte Lindenallee zur Fasanerie. Und ohne Quatsch, später am Rand der Ortschaft, fliegt wirklich ein Fasan vor meinen Augen weg.
Wo das Schloss nun war, weiß ich nicht so recht zu deuten. „Der attraktivste Bau von Hermsdorf war das Schloss. Breit und behäbig steht es in einem alten Park, vor ihm zwei jahrhundertealte Robinien“, weiß eine Chronik. (Historische Fotos).
Ich umrunde noch abschließend den Schlosspark, sehe hier und da ein paar Ruinen im undurchdringlichen Unterholz und dann lass ich es gut sein für den Moment. Man muss so viel „Nichts“ auch erstmal verkraften. Die nächsten Gewitter grollen in der Ferne und so breche ich an dieser Stelle ab.
Weiter mit Teil 2 hier.
Eure schönen Kommentare
„Ich lese gerade deinen Beitrag und irgendwie hat es mir einen Schalter umgelegt – von: im Kopf ist es klar, dass „unser“ bekanntes Gebiet ein Halbkreis war – zu: es wirklich verstehen. Da sind ja so viele Landschaften und Berge wie bei uns und müssten eigentlich genauso vertraut sein wie unsere Berge und Hügel und die Dörfer genauso!!!
Ich habe gerade eine Ahnung davon, dass das überhaupt nicht normal ist, nur weil ich es nicht anders kannte. In jedem anderen Landstrich haben die Menschen einen 360 Grad Radius. Noch dazu, wo das das Land meiner Vorfahren war.
Es ist wie eine Erkenntnis auf einer anderen Ebene. Zuvor wusste ich ja was du meinst, aber jetzt verstehe ich es tiefer.“
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