Zwei dreiflügelige Wasserschlösser mit französischem Garten. Die selben Architekten, die selben Bauherren. Das eine weltberühmt und überlaufen. Das andere in Vergessenheit geraten und menschenleer. Die Rede ist vom Zwinger in Dresden und vom Stift Joachimstein in Radmeritz im ehemaligen Landkreis Görlitz (bis 1945).
Wie kam es dazu?
Es war der ledige Kammerherr von August dem Starken, der 1722 ein Frauenstift errichten wollte zur Versorgung von ledigen, adeligen Frauen der Oberlausitz und angrenzender Gebiete. Frauen also mit Namen, aber ohne Mann. Der Kammerherr war Joachim Sigismund von Ziegler und Klipphausen, der sein ganzes Vermögen in die Anlage steckte, die die erste ihrer Art im Kurfürstentum Sachsen und seiner Nebenländer werden sollte.
Zum Schluss verewigten sich viele der wichtigsten sächsischen Architekten und Künstler Kursachsens, so dass es eines der bedeutendsten Bauwerke des sächsischen Barock wurde. Die feierliche Einweihung war am am 14. November 1728.
Einziehen durften 12 unverheiratete evangelische und seit mindestens 4 Generationen adlige Fräulein der Oberlausitz und angrenzender Gebiete und zwar nur, wenn sie ohne eigene Schuld in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren.
An der Spitze des Konvents (katholische Gemeinschaft von Frauen) stand die sogenannte Stiftshofmeisterin, die die Funktion einer Äbtissin (also wie im Kloster bei den Nonnen) übernahm. Ziel des Aufenthaltes im Stift Joachimstein war zunächst die „standesgemäße“ Versorgung der adeligen Fräuleins, sowie ihre Erziehung und Bildung im Sinne des niederen Adels. Gleichzeitig wurden sie auch vorbereitet auf eine eventuelle spätere Rolle als Ehefrauen und Mütter in einem landadligen Haushalt. Es war aber auch möglich, zeitlebens in Joachimstein zu bleiben.
Architektonische Spielerein
Das Schloss hat 12 Kamine – so viele, wie das Jahr Monate hat.
Das Schloss hat 52 mächtige Holztüren in den Innenräumen – so viele, wie das Jahr Wochen hat.
Das Schloss hat 365 Fenster, durch die man den Blick genießen kann – so viele, wie das Jahr Tage hat.
Hoher Besuch und das Ende
Im Laufe seiner 300 Jahre hatte das Stift hohen Besuch. Könige, Kaiser, Fürsten, Schriftsteller und Fürsten gaben sich quasi die Klinke in die Hand: August der Starke, Friedrich der Große, Carl Theodor Körner schrieb hier „Aufruf an die Sachsen“, Prinz Wilhelm, Hindenburg.
Unter anderem wurde das Stift immer wieder als Quartier für die Truppen benutzt. Sowohl im Siebenjährigen Krieg, wie auch in den Napoleonischen Kriegen. Das Genick bracht dem Gebäude aber die Grenzziehung 1945.
Aktueller Stand
Ein Investor wollte daraus ein Hotel und Tageszentrum machen, verstarb aber plötzlich 2004. Bis dahin hatte er für 7 Millionen Euro die Dächer erneuert, die Fassade am Haupthaus hergerichtet und ein Nebengebäude wieder aufgebaut.
Am 28.10.2019 findet 17:30 Uhr ein Vortrag in der Volkshochschule zum Joachimstein statt. Vielleicht ist dort Neues zu erfahren zur aktuellen Situation.
Bis dahin hier noch einige historische Fotos dieser Perle.
Wegbeschreibung
Der Görlitzer „Zwinger“ liegt genau gegenüber vom Freibad Hagenwerder im früheren Radmeritz, heutigen Radomierzyce. Einfach Grenze überqueren, erste Straße rechts halten und immer den Cafe-Schildern hinterher. Man landet an einer alten Mühle von 1459. Dort gibt es Parkplätze sowie leckeren Kuchen und Kaffee. Das ehemals schönste Schloss der Oberlausitz befindet sich dahinter.
ACHTUNG: Das Gelände ist privat und mit Schranke abgeriegelt. Geht bitte zum Vortrag!
Ein Beitrag vom 17.6.2014, ergänzt am 22.10.2019
Luftaufnahmen
Seit es Drohnen gibt, gibt es spannende Luftaufnahmen von Objekten, deren Gesamtheit man von Boden aus nur schwer versteht. Hier also die Luftaufnahme von Schloss Joachimstein. Und wie man sieht: Im Grundriss ist es ähnlich, wie der Dresdener Zwinger.
Was ist ein Damenstift?
Diese Frage beantwortet sehr gut die DVD „Im Damenstift“ aus unserer Stadtbibliothek. Die Dokumentation spielt in Ehreshoven (bei Köln) im Jahr 1984. Darin 16 adelige, unverheiratete Fräuleins mit Geburtsjahren ab 1896. Teils aus Schlesien, teils aus Böhmen, so dass es durchaus spannend ist, die Doku zu gucken – auch wenn sie bei Köln spielt. Es wird der Aufbau eines Damenstifts, seine Verwaltung, die nötigen Länderein, der Tagesablauf und vieles mehr erläutert. Unser Damenstift in Schloss Joachimstein hatte sein Wirtschaftsgut übrigens in Jauernick-Buschbach. Das „Stifts-Gut Niecha“ hatte als Hauptzweck, das Damenstift Joachimstein zu versorgen…
Die DVD ist meine dringende Empfehlung, zumal die adeligen Fräuleins so trollig sind, als würde man einen alten Rühmannfilm gucken. Es ist also auch noch sehr unterhaltsam. Zum Trailer:
Hier unter dem Beitrag sind so bunte Symbole. Damit könnt ihr den Beitrag an Freunde teilen zu Facebook, Whatsapp, Instagram, Twitter, per eMail etc. Probierts mal aus!