Ein Wochenende im E-Auto

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Alles begann zur ViaThea Versteigerung im Februar. Da wurde ein Wochenende im E-Auto angeboten. Ich zückte mein Bieterkärtchen und wurde überboten. Ich zückte es so lange, bis es weh tat im Portemonnaie und verlor gegen meine hartnäckige Konkurrenten. Ich hatte mich schon damit abgefunden und schloss gerade mein Fahrrad auf dem Hof ab, da kam sie zu mir und sagte: „Hier, schenk ich dir.“ Ich war völlig baff und bin es immer noch ein bisschen. Aber tja, so kam es zu dem Wochenende im E-Auto…

Die Planung und die Reichweite

Zunächst war der Plan, einfach gemeinsam mit dem E-Auto rumzufahren, schließlich hatte ich den Gutschein, aber sie hatte dafür geboten. Den heißen Sommer wollten wir noch vorüber gehen lassen. Als Ziel schwebte uns der Spreewald vor. Dann kam die Info von den Stadtwerken: Der Renault ZOE fährt nur 100 km, bis der nächste Ladevorgang nötig wird. Der Traum vom Spreewald starb, den niemand hatte Lust, eine Stunde in Cottbus rumzubummeln, wo die Karte mit den spärlich gesähten Ladestationen einen Treffer anzeigte. Meine Mitfahrgelegenheit klinkte sich aus und sagte, mach mal dein Wochenende…

Plan B brachte die Nachbarin auf als sie meldete, sie hätte noch Gutscheine für die Körsetherme, die dringend weg müssten. Alles sei bezahlt, ich muss es nur machen. So war der nächste Plan, mit der Familie und dem ZOE nach Kirschau zu fahren. Allerdings sind das ab Görlitz 62 km One Way, also 124 km hin und rück. Ob es an der Therme eine Ladesäule gibt, wagten alle zu bezweifeln. Und stromlos auf der Heimfahrt liegen bleiben, wollte auch keiner. Ein E-Auto sei laut Vatis Autozeitung wohl nicht möglich abzuschleppen (am Seil), denn die Bremse löse sich nicht ohne Strom.

Und so kristallisierte sich schon im Vorfeld raus, dass E-Auto fahren scheinbar ein Spaß ist im Radius vom 50 km bzw ein Hopping von Ladesäule zu Ladesäule. Eben doch ein bisschen anders, als beim Benziner, Diesel oder Hybrid.

Park and Ride zur Ladesäule

Zum Gutschein gehörte tatsächlich, dass der ZOE jederzeit auf dem Parkplatz der Stadtwerke kostenlos aufgeladen werden kann. Ich stellte mich also auf ein Park and Ride Wochenende ein mit Bahn oder Fahrrad zum Demi und mit dem ZOE weiter. Und so begann die Abholung heute Nachmittag mit einer Straßenbahnfahrt.

Der ZOE selber ist noch nigelnagelneu. Gerade mal 650 km hatte er weg, als ich ihn abholte.

Und überraschenderweise zeigte er, dass er frisch aufgeladen mit mir auch 337 km fahren würde.

Ob das allerdings stimmt, konnte mir die freundliche Stadtwerke Mitarbeiterin bei der Übergabe auch nicht sagen. Dazu sei er zu neu, das hat noch niemand getestet. Und eigentlich sind es nur ca. 100 km, die er schafft. Eben ein Stadtflitzer.

Flüsterleise und mit Automatik-Schaltung…

… machte ich mich auf den Weg zur Familie mit der Bedienungsanleitung im Gepäck. Wir blätterten hin und her, um rauszukriegen, ob wir es bis Kirschau und zurück schaffen könnten oder nicht. Es ging nicht genau aus den Unterlagen hervor und so beschloss der Familienrat: Kein Risiko, wir fahren Benziner.

Und so war meine erste Fahrt nur eine kleine Runde durch die Stadt.

Durch die Nacht cruisen

Nach Kirschau hatte ich zwar die übliche Bettschwere, aber der ZOE fährt sich so butterweich, zieht dabei schnell an, liegt ruhig auf der Straße und die Musik war noch so gut, dass ich beschloss, jetzt drehen wir beide noch eine Runde durch die menschenleere Stadt. Statt nach Hause zu fahren, ging es also vom Demi …

… nach Rauschwalde, nach Biesnitz, nach Kunnerwitz, nach Pfaffendorf und Schlauroth, zurück durch Rauschwalde, durch die Südstadt und noch schnell zum Kaufland in Weinhübel, um ihn überhaupt mal im Licht zu knipsen. Ein süßen Ding!

Falls dieses Wochenende jemand ein Stadtwerkeauto bemerkt, was sich untypisch verhält: Ich bins!

Das Rätsel um den Verbrauch

Insgesamt bin ich 28 km rumgecruised mit Musik ganz laut (und mitgesungen), Licht an, zwischen den Dörfern mit Fernlicht, Scheibenwischer an, Heizung auf Mädchen-freundliche 22 Grad. Eigentlich alles Dinge, die am Akku ziehen. Vor der Haustür zeigte der Tacho, dass 312 km übrig wären (von Start 337 km). Also irgendwie nur Strom für 25 km verbraucht. Die Sache mit der Reichweite bleibt am ersten Abend ein Mysterium…

Morgen lass ich ihn mal raus aus der Stadt und Nachmittag ab 14 Uhr stell ich ihn beim „Kleinen Parkfest“ im Birkenwäldchen ab. Da können alle mal gucken. Die Stadtwerke haben ein paar Infoblätter vorbereitet…

Wenn die Reichweite doch stimmt…

Ein ZOE-Kenner meldete sich noch nachts und sagte: Der Reichweiten-Anzeige könnte ich vertrauen. Nur im Winter geht sie vielleicht um 30% runter, weil die Heizung ganz schön Strom frisst. Wir hätten locker in Spreewald und auch nach Kirschau fahren können.

Mir schießt es irgendwelche Gehirnwendungen frei. Am nächsten Morgen schnapp ich mir eine Karte und male fröhlich 300 km ein (rosa) – das wäre eine Fahrt in eine Richtung mit einer Aufladung. Und 150 km (blau) – das wäre dann eine Hin- und Rückfahrt, um zu Hause wieder zu laden. Baff sitz ich vor der Karte:

Ich käme mit einer Ladung bis Oranienburg (Norden) also deutlich hinter Berlin und Potsdam. Westlich würde ich es bis Sangerhausen (Thüringen) schaffen. Südlich durch die ganze Tschechei, schon fast nach Österreich. Östlich durch fast ganz Schlesien.

Und Hin- und Rück zumindest nördlich bis hinter Eisenhüttenstadt, westlich bis Döbeln, südlich bis Prag, östlich bis kurz vor Breslau.

So gesehen, könnte der Bischof durch sein ganzen Ordinat bis Neuzelle elektrisch fahren. Alle vom Landkreis könnten von Bad Muskau bis Zittau alles mit der ZOE machen. (Sie ist eine Sie, das wusste der E-Auto-Experte auch!). Alle Pflegedienste könnten ihre Touren elektrisch machen. Und eben auch sonst alle, die am Tag unter 300 km bleiben. DAS ist wirklich cool!

Jetzt ist es fast ärgerlich, das ich mir nur Nahziele ausgedacht hatte… 😉

Tag 2, wir sind jetzt Freunde

ZOE und ich machen Vormittag eine kleine Spritztour zu den neuesten Kürbisfiguren in Ludwigsdorf. Das geht allerings gar nicht so gut. Mit dem Auto ist man einfach zu schnell, um sie alle zu entdecken. Nehmt bitte auch morgen (29.9., ab 9 Uhr) U N B D I N G T das Fahrrad wegen der allgemeinen Parkplatz-Situation.
Neueste Figuren gucken hier.

Danach zieht es mich weiter in den Wald, denn es soll Pilze geben. Ich hoffe, dass mich nicht der Wolf in Arsch zwickt oder der Elch auf mich drauf tritt und stürze mich in Busch.

Schild in Deschka

ZOE darf nicht mit in Wald. Ich hab unterschrieben, dass ich mit ihr weder Bergrennen fahre noch auf unbefestigen Pisten rumdüse.

Ich genieße die Stunde im Wald.

Kann sich sehen lassen. Es war mehr ein Pilze ernten, als suchen…

Und nun gehts ab ins Birkenwäldchen zum ersten Fest des Bürgerrat Rauschwalde. Wer will: 14-17 Uhr Kaffee und Kuchen, Live Musik hören, an Infoständen bummeln, was über Bienen lernen… und ZOE gucken.

ZOE´s Stauraum

ZOE hat einen entspannten Nachmittag im Birkenwäldchen mit einigen Interessenten, die sich die Infoblätter durchlesen.

Als es ums zusammen packen geht, mühen sich die Mitarbeiterinnen des Familienbüros mit ihrem Stand, Zelt, Flyern, Aufstellern und Spielzeug. Ihr Fahrzeug steht 70 Meter entfernt. ZOE steht direkt neben all dem Gepäck. Da ich selbst zum Demi will, schlage ich vor, dass sie alles bei mir reinpacken und ich fahr es ihnen rum. ZOE spielt also mal Packesel und sie kriegt richtig viel weg. Ein nicht unerheblicher Faktor beim Autokauf…

Der Ladevorgang

Ich selber öffne mir danach den Hof der Stadtwerke, denn ich will „tanken“ (sprich aufladen) ausprobieren, auch wenn ich noch gar nicht müsste. Aber das ist spannend.

ZOE „sagt“ zu dem Zeitpunkt, sie könnte noch 267 km und sei mit mir 87 km gefahren (Start war bei Kilometerstand 650 km).

Tanken geht so:
ZOE hat einen Drücker (der Stecker), da geht ihr die „Nase“ auf.

Der Stecker der Ladesäule sieht so aus – nix mit haushaltsüblichen Stecker. Der kommt einfach in die „Nase“.

Innen zeigte die Anzeige, die Batterie sei noch zu 78 % voll. Mathefüchse können sich jetzt ausrechnen, ob die Reichweite von anfänglich 337 km wirklich hin kommt…

Der Aufladevorgang braucht 55 Minuten. Da ist es gerade 17:53 Uhr.

Ich finde es prima, wie ZOE einfach alles von selber „erklärt“ und stell mir den Wecker auf in 51 Minuten.

Na klar ist das anders, wie beim Benzin-, Diesel- oder Gas tanken. Das wäre in 3 Minuten erledigt. Hier ergibt sich nun tatsächlich ein Zeitfenster, dass man für Essen, Pinkelpause, Beinchen vertreten, shopping, Geschäftstermin oder sonstwas verwenden kann/muss. Ich geh einfach ne Runde bummeln…

Der E-Auto-Experte sagt, es gibt auch Schnellladesäulen. Die machen das einfach mit mehr kW. Die Ladezeit verkürzt sich dann auf ca. 10-15 Minuten.

Bissl vor der Zeit bin ich zurück, da ist ZOE schon bei 99%, zeigt kurz an, sie bräuchte noch 20 Minuten, korrigiert sich aber binnen 2 Minuten und ist fertig. Pi-mal-Daumen ist also die anfangs angekündigte Ladezeit richtig.

Nachdem ich ihr den Stecker gezogen hab, will sie sogar die nächsten 354 km mit mir rumfahren. Ich werde sie Montag gar nicht zurück geben können… *zwinker*

Tag 3, wir machen eine Spritztour

Ich bin tiefenentspannt, was die Reichweite angeht und ZOE darf aus Görlitz raus.

Ich zeig ihr mal den Oybin. Sie darf auch kräftige Steigung und Gefälle fahren incl. Mini-Serpentinen bei Lückendorf.

Dann cruisen wir durch die Oberlausitzer Märchendörfer mit den Umgebindehäuschen und gucken uns das Schloss Hainewalde an.

Und sie darf auch mal gucken, wo unter anderem ihr Strom herkommt.

Den halben Tag sind wir rumgegurkt und haben heute 156 km zusammen verfahren und den Akku auf ca. 55% runtergebracht (von 354 auf 184 km Reichweite). Seit Freitag waren wir insgesamt 243 km unterwegs und hätten nicht laden müssen.

Dann heißt es Abschied nehmen. Ich wasch ihr liebevoll den Fliegendreck und die Vogelkacke vom Lack und schüttel die Fußmatten aus. Unsere schöne Zeit endet nun.

Zusammen fahren wir nochmal an die Ladesäule beim Marktkauf, denn ich will mal gucken, wie so eine „öffentliche“ Ladesäule aussieht. Die hat 3 verschiedene Laderüssel zur Auswahl und fordert eine Karte (EC? Kredit?).

Dann will ich ihr zum Abschied noch unters Röckchen gucken und öffne die Motorhaube. Scheibenwasser und sowas zum selber nachfüllen hat sie auch, wie jedes andere Auto. Der E-Auto-Experte sagte, es gäbe keinen Auspuff, kein Getriebe, keinen Anlasser, keine Kupplung. Nicht, dass ich groß irgendwas erkennen würde. Ich wollte es nur mal gesehen haben.

Dann bring ich sie nach Hause zu ihrer Ladesäule und flüster ihr zum Abschied in den Seitenspiegel: Wenn du mal abgeschrieben bist in der Buchhaltung oder ausgetauscht wirst gegen ein neues Auto… Wenn dir dann einer nochmal einen frischen Akku einbaut und die Stadtwerke mir eine Ladesäule vor die Tür basteln… Und wenn du dann Second Hand nicht mehr 5-stellig kostest, dann würde ich dich adoptieren.

Spaß hat es mir definitiv gemacht. Und zu meinem allgemeinen Aktionsradius würde sie auch passen. Ich danke herzlich für das entgegengebrachte Vertrauen. Und natürlich nochmals der Spenderin für dieses Geschenk. DANKE. *bye bye ZOE*

Schlussgedanken

Dies ist kein Text für 100% Elektromobilität. Da bin ich durchaus kritisch und vor allem realistisch eingestellt. Dies ist nur ein Text über den Test eines E-Autos ein Wochenende lang. Ja, hat Spaß gemacht.

Elektromobilität flächendeckend ist technisch noch nicht zu Ende gedacht. Elektromobilität da, wo es möglich und sinnvoll ist, ist eine schöne Idee. Das wohl wichtigste: Es muss freiwillig passieren!

Funktionieren kann nur eine Mischung aus Öffentlichen, Fahrrad fahren, laufen, Scootern-Rollern-Skatern und Co, Fahrgemeinschaften, Individualverkehr mit ganz verschiedenen Antriebstechniken, e-Mobilität (wo es passt) im Nahbereich, MFGs und Car-Sharing. Im Fernverkehr dann Fortbewegung auf Schienen und Straßen und gelegentlich brauchts auch mal ein Flugzeug oder ein Schiff, sowohl für die Warenströme, wie auch die persönliche Freude. Das alles erneut mit ganz unterschiedlichen Antriebstechniken.

Ein Mix ist das einzig Sinnvolle. Ein Mix, aus dem jeder das für sich passende wählen kann – OHNE, dass ihm die Fortbewegungsart vorgeschrieben wird oder seine individuelle Wahl verteufelt wird.


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