Die Vögel am Berzdorfer See

Vögel am Berzdorfer See
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Gestern war ich beim Vortrag von Dr. Markus Ritz vom Senckenberg Naturkunde Museum, der über die Vögel am Berzdorfer See sprach. Der Saal platzte fast aus allen Nähten Dank des Besucheransturms und so schaffte der Vortrag mit über 70 Interessierten den absoluten Besucherrekord für die Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e. V. – AK „Görlitz“. Ich habe fleißig mitgemeißelt und will die herausragenden Fakten mal wiedergeben.
*lang aber lohnt*

👉 Vielfalt:
Auf unserem Berzdorfer See wurden bisher 209 Vogelarten nachgewiesen. Das teilt sich auf in 108 Wasservögelarten und 12 Singvögelarten. Europaweit gibt es „nur“ 450 Vogelarten. Knapp die Hälfte lässt sich hier also blicken. Darunter einige Kostbarkeiten. Das hat zu tun mit den besonderen Merkmalen unseres Sees: Er ist der einzige ph-neutrale der Umgebung, der einzig so tiefe (71 Meter), einer der größten und einer der klarsten in der Wasserqualität. Das schafft kein anderer See in der Lausitz. All das führt zu großem Reichtum an Wasserpflanzen, Fischen, Krebsen und Muscheln = beste Bedingungen für Vögel.

👉 Brut:
Als See zum brüten ist er noch nicht so beliebt. Da versuchen es bisher nur 26 Paare vom Haubentaucher und zwar links von der Blauen Lagune (Richtung Rutschung P). Dort finden sie Schilf, wenig Wellen, Ruhe. Es hat aber noch nicht geklappt.

An die Kolonie Kormorane unterhalb von Klein Neundorf werden sich noch einige erinnern. Die waren ab 2012 da und saßen auf Baumspitzen, die aus dem See ragten. Sie blieben bis 2015 ohne Bruterfolg und sind jetzt umgezogen ins Trinkwasserschutzgebiet in Weinhübel. Dort wohnen derzeit 38 Brutpaare. Die Weinhübler kennen vielleicht die markanten Vogelschreie.

Ansonsten waren Schwarzhaubentaucher zur Brutzeit da. Die brauchen die Nachbarschaft mit Lachmöwen und sind dadurch geschützt. Auch Rothalstaucher und Gänsesäger sah man zur Brutzeit.

Übersommern tun meist einjährige Vögel, die noch nicht brutfähig sind und sich quasi überlegen, ob sie mit den älteren Vögeln den Ritt in die Brutgebiete antreten oder faul bei uns bleiben.

👉 Mauser:
Bedeutsamer ist der See inzwischen für die Mauser (Federkleidwechsel). Dann können Vögel nicht fliegen. Die meisten Wasservögel sind keine guten Läufer. Sprich: Sie kommen in dieser Phase nicht weg. Sie brauchen also einen See, der genug Futter hergibt (Fische, Krebse, Muscheln, Wasserpflanzen) und der klar (sauber) genug ist, um zu tauchen und Futter zu finden. Auch einen See, der groß genug ist, damit er über die Zeit der Mauser nicht gleich leer gefressen ist. All das bietet unser Berzdorfer See mit seinen 960 ha.

Und so mausern sich hier also die Tauchenten, deren Bestände jährlich zunehmen. Die Lappentaucher kommen mit 500-700 Stück nach der Brut hier her zur Mauser. Die Gänsesäger kommen aus der ganzen Umgebung zur Mauser. (Da nur die Weibchen mit den Jungtieren. Die Männchen mausern sich in Skandinavien).

Auffällig ist, das bis 2014 einige Vögel noch nach der Mauser blieben. Seit 2015 verschwinden sie, sobald es möglich ist. Ein Zusammenhang könnte mit der Nutzung des Sees in den Sommermonaten durch den Menschen bestehen. Möglicherweise ist es den Vögeln dann zu unruhig.

👉 Der See als Rastplatz für Zugvögel:
Hier hat der See momentan seine größte Bedeutung. Das betrifft den Zeitraum September – März (quasi die Nicht-Saison durch menschliche Nutzung). Hier sind vor allem Zugvögel zu nennen, die nur eine Nacht bleiben. Das hängt damit zusammen, das die morgens in Skandinavien aufbrechen. Dann haben sie gegen Mittag den Berzdorfer See erreicht. Der ist in seiner enormen Größe, Klarheit und dem Fischreichtum weit und breit der Einzige – also attraktiv. Richtung Süden ist Gebirge zu sehen, so das die Vögel beschließen: „Nö, Gebirge machen wir heut nicht mehr“ und runter kommen. Schon am nächsten Tag in der Morgendämmerung brechen diese One-Night-Gäste wieder auf.

Es gibt auch Vögel, die bei uns überwintern. Auch da spielen Faktoren des Sees eine Rolle: Durch seine Größe baut er ordentlich Wellengang auf und friert nicht so leicht zu. Durch seine enorme Tiefe (71 Meter), bleibt recht viel Wasser in der Tiefe immer um die 4 Grad. Bei Wellengang mischt sich dieses Untergrundwasser mit dem Oberflächenwasser, so dass unser See als einer der letzten weit und breit zufriert. Umliegende Seen sind alle nur 10-20 Meter tief. Ein offener See bietet Futter.

Bekannt als Wintergäste sind die Blässhühner (die kleinen schwarzen pummeligen). Ein Blässhuhn ist mit Ring unterwegs und kam nun schon den 5. Winter zu uns. Wir haben davon ca. 8.300 da. Der Winterbestand in Deutschland beträgt 450.000. Würde man das ins Verhältnis setzen mit den Menschen, dann ergibt sich folgendes Gedankenspiel: Deutschland hat ca. 82 Mio Einwohner. Die Menge der Winter-Blässhühner ist in etwa so, als wenn 1.46 Mio Menschen jeden Winter nach Görlitz kämen. Görlitz wäre spontan die 3 größte Stadt von Deutschland. Das mal, damit man ein Gefühl bekommt, wie bedeutsam der See ist, wenn hier 8.300 Blässhühner überwintern.

👉 Raritäten:
Raubmöwen waren schon da. Die sind sonst nur in Nord- und Ostsee. Und ein Gelbschnabeltaucher hat man gesehen. Von ihm gab es bisher nur 3 Nachweise in Sachsen. Nachweis Nr. 2 + 3 waren auf dem Berzdorfer See. Das lockte damals Ornitologen aus halb Europa her.

👉 Zu den Singvögeln an Land:
Da gibt es zwei Schutzgebiete. Rutschung P und unterhalb von Klein Neundorf. Deutschland hat 64 Brutvogelarten. Wir haben 30 Arten da. Darunter 4 von der Roten Liste (vom Aussterben bedroht). Das sind Wiesenpieper, Steinschmätzer, Rebhuhn und Braunkehlchen. Sie brauchen vor allem Offenland mit Steinhaufen, dornigen Büschen und Buschstreifen. Die beiden Flächen wachsen aber langsam zu. Hier ist die LMBV gefordert, die Flächen offen zu halten. Momentan ist unterhalb von Klein Neundorf ein Biobauer mit weidenen Kühen und Schafen unterwegs. Alternativ weichen die bedrohten Arten in die Truppenübungsplätze aus. Wenn regelmäßig ein Panzer durchflügt, bleibt es offen.

👉 Naturschutz:
Die Segler vom Segelstützpunkt Berzdorfer See achten die (Wasser)Schutzzonen bei Rutschung P und unterhalb von Klein Neundorf. Sie führen sogar Buch über Vogelsichtungen und ermahnen andere bei Verstößen. Der Appell geht an alle anderen: Surfer, Kitesurfer, SUP-Paddler, Schlauchboote, Kanus, ausländische Wassersportler etc die Schutzzonen zu achten. Aktuell fehlt jemand, der es überwacht und auch ahndet.

Die LMBV ist gefragt, den Neißeeinleiter zu ersetzen, der einer Kolonie Möwen als zu Hause diente. Ebenfalls ist es die LMBV als aktueller Eigentümer, die sich um die Verbuschung/Verwaldung (Sukzession) der Offenland-Schutzzonen kümmern muss.

👉 Mein Fazit:
Grundsätzlich wurden viele Millionen in das Tagebauloch gesteckt, um daraus einen schönen See für die Menschen zu machen. Das er besondere Eigenschaften hat, welche Vögel total toll finden, ist dabei der positive Nebeneffekt. Wenn sich nun Mensch und Vögel den See teilen, ist es an uns, Schutzzonen zu achten und unterstützend zu wirken, um uns an dem vielfach besonderen Naturschauspiel zu erfreuen. Dann ist es ein Paradies für alle. Vogelschutz und menschliche Nutzung schließen sich nicht aus!
Foto: November 2012
Ein Beitrag vom 18.01.2019


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