Der gebürtige Görlitzer Leo Neugebauer war erfolgreich bei der Olympiade 2024 und viele Menschen freuen sich mit. Das ist super und legitim. ABER: Aus dem Athleten Leo Neugebauer einen „Görlitzer“ zu machen, ist (O-Ton SZ vom 20.8.2023) „vermessen“. Warum und weshalb, das lest ihr hier:
Geburtsort Görlitz
Im Fall von Leo Neugebauer war lediglich der Geburtsort Görlitz. Die Sterne stehen hier nicht schlecht. Geburtsort Görlitz ist immer eine gute Idee. ABER: Nach 6 Wochen schon ging es in die Nähe von Stuttgart. Keine Krippe, kein Kindergarten, keine Schule, kein Sportverein in Görlitz. Einfach nichts, nur die Großeltern in Friedersdorf. Das haben wir noch nicht mal eingemeindet. Und vermutlich auch kein Görlitz Gefühl im Leo. Kann man da von Görlitzer sprechen? Ich weiß es nicht.
Es verkauft sich derzeit gut, okay. Es ist das Stück vom großen Kuchen und wenn man es lange genug dreht und wendet, reicht Leos Erfolg auch bis Görlitz. Aber ist es richtig, dass so zu machen?
Ab wann ist man denn Görlitzer?
Emil Jannings, der erste Oscar-Gewinner der männlichen Hauptrolle, der weder in Görlitz geboren noch gestorben ist, in der Schweiz, Leipzig und eben Görlitz aufwuchs und eine Weile an unserem Theater aktiv war, wo man ihm allerdings fehlendes Talent bescheinigte? Vielleicht.
Mira Lobe, der man in der Schule auf dem Wilhelmsplatz schummeln in den Aufsätzen vorwarf, weil sie einfach unfassbar gut war für ein kleines Mädchen. Und die direkt nach der Schulzeit aus Görlitz weg ging und letztlich in Österreich eine der bedeutensten Schriftstellerinnen für Kinderliteratur wurde? Ich weiß nicht.
Minna Herzlieb, Goethes Muse, gebürtig aus einer Stadt im heutigen Polen, die als Vollwaise zu ihrer Patentante nach Jena kam. Die dann, später, psychisch erkrankte und in Görlitz behandelt wurde und hier verstarb zu einer Zeit, wo man eben beerdigt wurde, da wo man starb. Wohl eher nicht!
Michael Ballack, der zwar in Görlitz geboren wurde, aber schon mit sieben in Karl-Marx-Stadt zu spielen begann? Ich weiß nicht, ich weiß nicht…
Demiani, der in Dresden geboren wurde und dessen Familie eigentlich in Hoyerswerder wohnte. Der hier zwar das Gymnasium besuchte, dann aber wie ein Streiflicht überall und nirgends studierte, lernte, wirkte, bis er OB von Görlitz wurde. Eventuell!
Mir wärs lieb, ich könnte über einen gebürtigen Görlitzer schreiben, der hier geboren ist, aufgewachsen, verankert. Wenigstens irgendwann hier hergezogen und längere Zeit wohnhaft. Der vielleicht seine Wanderjahre in der großen weiten Welt absolviert, dann aber gereift zurück kehrt, um hier zu Wirken, etwas zu schaffen, sich zu engagieren, hier zu leben. Dessen zentraler Lebensmittelpunkt Görlitz ist und dessen Herz für die Stadt schlägt.
Eben ein echter Görlitzer… Aber das ist fast immer nicht „vogue“ genug und von maximal lokalem Interesse.
*nachgedacht zum Sonntag
„Wenn wir jetzt noch die Hebamme finden…“
Eine Freundin meinte am Telefon zu mir, die Einzigen, die sich wirklich mit Leo Neugebauer in Görlitz in Verbindung bringen lassen, sind quasi die Hebammen im Kreissaal des Klinikums. Und es wäre so typisch Zeitung, jetzt genau die Hebamme ausfindig zu machen, die damals im Jahr 2.000 den heutigen Olymioniken in Görlitz auf die Welt geholt hat…
Und ein anderer lieber Bekannter wusste noch: „In Österreich ist Hitler ein Deutscher und Mozart ein Österreicher“. Tja, immer, wie es gerade gebraucht wird.
Das ist der Stoff, aus dem Storys gemacht werden, um Zeitungen zu füllen und zu verkaufen. Mit dem Menschen, um den es dabei geht, hat das am Ende das allerwenigste zu tun. Das darf uns Endverbrauchern gern bewusst werden.
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