Ich bin erneut dem gelben Muschelsymbol hinterher, Richtung Westen. 2 Stunden war ich dieses Mal unterwegs mit dem Fahrrad und mit Fotopausen. Zu Fuß ist diese Etappe ca. 4 Stunden bis zur Kirche in Arnsdorf. Im Blick hatte ich dabei immer die gelbe Muschel, so, wie sich ein echter Pilger zurechtfinden müsste. Hier die Bilderserie. Auf jedem Bild ist die gelbe Muschel. Es ist also die Perspektive, wie ein Pilgerer den Weg erlebt.
Teil 1 – Görlitz bis Königshain
Das kann man hier angucken und natürlich nachpilgern.
Königshainer Berge und Wald
Ich starte also an genau der Stelle des Weges, wo ich letztens aufgehört habe. Vom Limasberg kommend an der Waldkante. Der Hochstein (Berg) ist 4,3 km vor mir. Liebstein liegt 1,7 km hinter mir. Auf gehts! Hier sehe ich für eine ganze Weile die letzten zwei Menschen.
Der Wald ist derzeit ziemlich licht. Trockenheit und Borkenkäfer haben einen Teil dazu beigetragen. Die normale Forstwirtschaft in dieser Gegend sicherlich einen weiteren Teil. Der Wald wandelt sich also derzeit. Dennoch ist es merklich kühler in ihm. Diese Etappe ist also genau richtig an heißen Sommertagen.
Ich versteh noch immer nicht wieso man mit Sprühflasche im Wald spazieren geht. Seis drum. Man kann die Wegbeschriftung noch erkennen und hier und da gibt es sogar eine Bank oder einen Picknickplatz. Hier treffe ich den zweiten Menschen des Tages. Der Hochstein rutscht näher.
Dann bekommt das Kind auch einen Namen. Man pilgert also auf der „Oberen Holzstraße“.
Der Wald wandelt sich, wird dunkel und kühl (ideal im Sommer!). Mich beschleicht so der Gedanke, wie alt der Jakobsweg ist und ich muss an die Raubritter denken, die zwischen den Orten den Postkutschen und Händlern auflauerten, um sie zu überfallen. Der Gedanke spielt später tatsächlich noch eine Rolle.
Und immer wieder heißt es Vertrauen haben in das Muschelsymbol, auch wenn der Wald aussieht, als wäre wirklich lange niemand mehr lang gekommen.
Ein Baumriese am Wegesrand macht mich sehr glücklich. 2,5 Armspannen misst sein Umfang. Nein, Borkenkäfer und Trockenheit kriegen nicht alles klein.
Bis zum Hochstein sind es nun noch 2,5 km.
Man freut sich irgendwo im Nirgendwo über die kleinen Dinge, wie eine völlig windschiefe Bank.
*huch! Dann gibt es plötzlich ein bisschen Zivilisation in Form einer geteerten Straße. Es ist die Verbindungsstraße zwischen Königshain und Thiemendorf. Man geht sie aber nur ganz kurz.
An folgendem Punkt verschwindet man wieder in den Wald. Es ist der Aufstieg „von hinten“ Richtung Hochstein, aber auch zu den Steinbrüchen (Seen) und Felsformationen. Die Hütte ist natürlich vermüllt und teils zerstört. Es wirkt zunehmend absurder, wie wir Menschen uns verhalten, wenn man soeben für Stunden glücklich durch einen Wald gegangen ist.
Und so ist mir die Natur näher, als die menschlichen „Verfehlungen“.
Nach einem langen, steilen Aufstieg kommt man in dem Bereich der Königshainer Berge raus, der auch touristisch von Ausflügen bekannt ist. Links ginge es zum Totenstein, an der Waldkante hinter der (neuen) Freifläche zum Kuckucksstein. Die Muschel führt gerade aus zum Hochstein.
Aufstieg Hochstein
Die bekannte Kreuzung in den Königshainer Bergen. Die Teerstraße rechtsrum führt auf den Hochstein. Die Muschel will es auch so. Hier treffe ich zum dritten Mal Menschen an einem Sonntag. Wochentags könnte es sein, dass man gar niemanden trifft.
Da war sie wieder, die „Arme Sau“. Und auch unser Gipfelbuch-Autor hat hier etwas angebracht.
Und nun kennen sich alle aus: Hochstein! Felsen, Gastro, Turm. Es ist mir vorher nie klar gewesen, dass hier der Jakobsweg entlang führt. Tipp: Es geht danach wieder Ewigkeiten durch den Wald. Also Zeit für ein Päuschen.
Der Aufstieg auf den Turm lohnt sich. Ich verlinke nochmal den passenden Beitrag dazu mit Bildern.
Abstieg Hochstein
Der Abstieg erfolgt seitlich der Hochsteinbaude und zielt hinab zu Teufelsstein und Kuckucksstein.
Pilgerer, die sich am Muschelsymbol orientieren, verpassen den Totenstein. Ich persönlich finde ihn ja sehr schön. Zum malen-und-fotografieren-schön. Und auch historisch interessant. Hier kann man sich darüber belesen. Zu ihm ginge es an dieser Wegbiegung links. Man käme auch zurück auf den Pilgerweg.
Wer der Muschel treu bleiben will, geht weiter gerade aus.
Ende im Gelände. Offenbar schon länger. Viele Wandererfüße haben bereits einen neuen Pfad getrampelt.
Und so kommt man auf den Weg, der zum Kuckucksstein führt.
Der Kuckucksstein versteckt sich ab Mai im Dickicht des üppigen Grün und leicht ist man mit einmal Zwinkern ausversehen vorbei gelaufen. Hier könnten die Heimatfreunde ruhig ein Schild aufstellen, gerade weil der Kuckucksstein möglicherweise astronomische Bedeutung hat… *nur so ne Idee
Zum Kuckucksstein belesen hier.
Im großen Bogen geht es nun unterhalb des Teufelsstein entlang. Wer zu ihm abgebogen war, mündet hier wieder ein.
Ab jetzt geht es auf Arnsdorf zu. Tschüss Hochstein-Gegend…
Nach Arnsdorf
Arnsdorf ist 3,5 km entfernt und weiter geht es durch Wald, Wald, Wald. Die letzten Menschen traf ich auf dem Hochstein.
Ein schöner Moment, als meine Augen (erstmals) von den Königshainer Bergen (immerhin ein Mittelgebirge!) hinab ins Tal gucken. Das nimmt sich doch nichts mit Erzgebirge, Zittauer Gebirge oder Harz. *schön hier
Plötzlich wandelt sich die Landschaft. Es wird frei, offen und ich bin herausgetreten aus der Kühle des Wald. *huch
Die Muschel allerdings sagt, „Nee nee meine Liebe, komm, linksrum. Ein bisschen Wald kommt noch.“
Ab jetzt wird es richtig fetzig, denn der hiesige Heimatverein hat Gedichte an den Wegesrand gestellt. Wenn man nun bedenkt, dass der Pilgerer stundenlang nur Landschaft sieht und seine eigenen Gedanken hört, ist dies doch eine ganz wunderbare Zerstreuung und Inspiration. Ich habe mich sehr gefreut!
Ich hatte zu Anfang geschildert, dass ich an alte Postkutschen und Raubritter auf dem Weg durch den Wald denken musste. Hier nun kommt eine Bestätigung in diese Richtung.
Wir Görlitzer kennen Sühnekreuze. Nur, falls es jemand nochmal nachlesen will…
Ein paar Wanderer hatten dem ermordeten Bauern mit zwei Steinchen gedacht… auch heute noch!
Es geht weiter durch Wald mit Holzeinschlag und Sturmschäden.
Bis zum nächsten Gedicht. Arnsdorf ist auf 1,8 km heran gerutscht.
Ein Picknickplatz von 1820. 202 Jahre alt! Weder zerstört, noch umgeworfen, noch angegokelt, noch bekritzelt. Es ist so schön weit weg von der Stadt und ihren Auswüchsen des 21. Jahrhunderts.
Und dann kam ein Moment, da dachte ich: „Ja, es braucht Gottvertauen.“
Da nämlich, als ich den letzten Menschen vor gut einer Stunde gesehen hatte und die Muschel sagte: „Ja, ich weiß, es sieht aus, als wäre hier das letzte Mal vor 10 Jahren jemand lang gekommen. Aber du musst jetzt wirklich hier lang.“ Irgendwo im Wald vor Arnsdorf…
Gibt es eine verlassenere Gegend als das Ende des Waldes bei Arnsdorf?
Der Heimatverein ist gedanklich noch an der Seite des Pilgeres – mit einem weiteren Gedicht.
Ich nehme jetzt nicht vorweg, was man sieht, wenn man diesen Weg über die Felder bis zum sichtbaren Punkt hoch gegangen ist. Ich konnte mir ein herzliches Lachen nicht verkneifen.
Hier der Blick zurück. Die Königshainer Berge liegen nun hinter einem. Zumindest der bewaldete Teil.
Arnsdorf
Hier oben auf dem Feld vor Arnsdorf spielten sie im Radio mein Lieblingslied. Und ich hätte tanzen können vor Freude. Das zählt wohl zu den Pilgereffekten…
Da ist die Kirche von Arnsdorf. Und da eine alte Mühle.
Gleich geschafft und gut geführt durch die Muschel. Danke allen Wegwarten!
Gleich, gleich, gleich…
Nochmal bisschen Input zum Pilgern. Irgendwie ist man immer noch erst kurz hinter Görlitz angesichts der Länge des deutschen Jakobsweges…
Dies ist der Weg durch die Königshainer Berge und den Wald. (gelbe Linie)
Eine offene Kirche.
Ich klinke vorsichtig am Tor des Friedhofs und bin ganz erstaunt, dass es offen ist.
Noch erstaunter bin ich, dass die Kirche offen steht – und niemand da ist. Eine offene Kirche? In Görlitz wäre sie leergeraubt, randaliert, zerstört, entkernt binnen weniger Tage. Wo sind wir als Menschheit hingekommen? Und wo wollen wir als Menschheit hin? Möglicherweise sollten alle mal pilgern…
Glücklich trete ich ein und habe eine tiefe spirituelle Erfahrung in diesem Gotteshaus.
Zur Feier des Tages verpass ich mir eigenständig einen Pilgerstempel aufs Kinoprogramm des Landkinos und hinterlasse einen lieben Gruß im Gästebuch/Pilgerbuch. So wirklich gepilgert war es ja nicht. Ich wollte ja nur mal mit eBike und Radio im Ohr rausfinden, wo entlang uns die Muschel führt.
Trotzdem folgt ein kleines Pilgerwunder:
Mein Fahrrad streikt auf dem Rückweg von Arnsdorf-Hilbersdorf nach Königshain. Ich bin ohne Internet. Die Nummer meines Fahrraddealers vom RADWERK Görlitz auf der Heiligen Grab Str 26 habe ich nur im Internet, auf das ich nicht zugreifen kann. Zurück bis Görlitz bräuchte ich bis weit in die Nacht hinein.
Es gelingt mir trotzdem, ihn anzurufen. Er liegt nicht zum Sonntag Abend faul auf der Couch, sondern ist zufällig sowieso unterwegs und kann in 10 Minuten bei mir sein (trotz Baustellen und Umleitung!). Dank seiner schnellen, mobilen Hilfe schaffe ich es ganz selbstständig, mich zurück nach Hause zu bringen.
Wir sind geführt, behütet und nicht allein!
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