Der Mauerrest von 1726 – Folge eines Stadtbrandes

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Es gibt so Dinge, die erklären sich nicht von selbst. Erst recht nicht, wenn keine Tafel dran ist. Und so guckt es sich schlicht weg und man fragt sich auch nicht wirklich, was das soll. Oder doch? Was hat es denn mit dem seltsamen Mauerrest in der Kränzelstraße auf sich? Wo doch Grundstücke in der Altstadt rar und begehrt sind…? Hier gibt es die Erklärung dazu…

Es war einmal ein Großbrand…

Richtig müsste es heißen, es waren immer wieder Großbrände. Görlitz hat in seiner inzwischen 950 jährigen Geschichte mehrfach in Schutt und Asche gelegen. Großbrand meint dabei nicht, ein Objekt stand in Flammen – wie Roscher im Februar 2019. Zu so etwas sagen wir heute „Großbrand“. Großbrand damals meinte, die halbe Stadt war abgebrannt und alle hatten nahezu alles verloren.

1717 war der größte Stadtbrand in unserer Geschichte. Er vernichtet 403 Gebäude. Unvorstellbar.
Bereits 1726 brennt es erneut. Die Mauer in der Kränzelstraße geht auf dieses Ereignis zurück.

Wie muss man sich Feuer im Mittelalter vorstellen?

In allen Häusern wurde am offen Feuer in der Küche gekocht. Zudem benutzen verschiedene Handwerker in ihren Häusern offenes Feuer. Brände waren also leider an der Tagesordnung. Der Rat der Stadt hatte im Laufe der Zeit erste Brandschutzmaßnahmen für jedem Haushalt angeordnet: Die Küche musste einen Steinfußboden haben. In jedem Haushalt musste ein Löscheimer bereit gehalten werden und auch eine Wasserspritze, die ca 2 Liter fasste (wie eine Art Wasserpistole). Heute gibt es eine Verordnung zu Feuermeldern und in öffentlichen Gebäuden müssen Feuerlöscher da sein. So unähnlich ist sich das alles gar nicht.

Wenn nun Feuer ausbrach und eigene Löschversuche nichts halfen, blieb eigentlich nur, sich ans Neißeufer zu retten und abzuwarten. Meist brannte es dann einen ganzen Tag oder länger. Das Feuer griff dabei auf die benachbarten Gebäude über. Häufig wurde es ein großer Stadtbrand. Wir können uns das heute gar nicht mehr vorstellen.

Ich hab einen Feuerwehrmann gefragt, was die Feuerwehr heute machen würde, wenn – sagen wir mal die ganzen Brüderstraße in Flammen stünde? „Schwierig! Man würde vor allem die Ausbreitung des Feuers auf die umliegenden Häuser versuchen zu verhindern. Zusätzlich würde man versuchen, zu retten was zu retten ist bei den bereits brennenden Häusern.“ Heute geht sowas. Damals musste man das Feuer zumeist gewehren lassen.

Rettende Keller und Gewölbe

Die Häuser der Görlitzer Altstadt verfügten zumeist über unterirdische Kellergeschosse, teils 1-3 Etagen tief, sowie Braukeller. Diese Gewölbe waren alle aus Stein gemauert und die Rettung bei Stadtbränden, da sie oft auch über keine Fenster verfügten. Rettung für wichtigen Schriftstücken, Geld, Habseeligkeiten, Wertgegenstände.

Und so blieben also bei Großbränden immer einzelne Keller und Geschosse stehen, während Obergeschosse und Dächer dem Brand zum Opfer gefallen waren. Das führt bis heute zu einem Stilmix an verschiedenen Häusern, wo das Erdgeschoss Renaissance ist und die Obergeschosse vielleicht in Barock. Verantwortlich dafür sind oft Stadtbrände.

Wiederaufbau

Nach einem Großbrand ging es sofort an den Wiederaufbau. Auch hierfür hatten die Ratsherren Ideen. Man half den Brandopfern zum Beispiel mit Steuerermäßigung, damit alles Geld in den Aufbau des eigenen Hauses (Wohnhaus, Geschäftsräume) fließen konnte.

Auch machte der Rat Vorgaben, dass die Häuser nicht länger mit der Giebelseite zur Straße stehen durften, so dass die Feuer sich durch die Dächer von Haus zu Haus fressen konnten. Die Häuser mussten nach einem Brand mit den Giebeln = Mauern zueinander stehen. Hier mal eine historische Ansicht vom Obermarkt, wo noch die Giebel zur Straße stehen. Jetzt steht zur Straße immer die Längstseite des Hauses. Auch dieses „Rumdrehen“ der Häuser hat seine Begründung im Brandschutz.

Entscheidend waren aber die Haus- und Grundstücksbesitzer selber, die sich für den Wiederaufbau an der aller neuesten Mode aus Prag, Leipzig oder Dresden orientierten und DESWEGEN die neuesten Stilepochen nach Görlitz holten. Würde heute also ein Stadtbrand Görlitz hinweg raffen und wir wären so drauf wie die Menschen im Mittelalter (und es gäbe keinen Denkmalschutz), dann wäre als nächstes Görlitz ein Ensamble aus Stahl, Glas, Solar und Beton. Das die Altstadt von Görlitz aussieht, wie sie aussieht, hat tatsächlich mit den vielen Stadtbränden zu tun.

Und wenn man wirklich „abgebrannt“ war?

Da es im Mittelalter noch keine Versicherung gab und man sein Geld auch nicht auf der Bank hatte, sondern alles Hab und Gut im Haus, konnte es sein, man war nach einem Stadtbrand tatsächlich vollständig „abgebrannt“ = mittellos. So muss es den Menschen in der Kränzelstraße 13 – 15 gegangen sein. Sie hatten nichts mehr, um ihre Häuser wieder aufzubauen.

Und offenbar wollten auch niemand diese Grundstücke kaufen. Auch das war – leider – Gang und Gebe. So kam es zum Beispiel dazu, dass der reiche Leinen- und Damasthändler Ameiß nach einem Stadtbrand die Grundstücke Neißstraße Ecke Weberstraße bis Handwerk von seinen abgebrannten Nachbarn günstig aufkaufte und sich seinen XXL Palast hinsetzte, den wir heute „Barockhaus“ nennen.

Die mittelalterliche Stadt war also keineswegs so durchgestyled, wie wir sie heute vorfinden, sondern überall dazwischen standen immer wieder Ruinen – die Zeugen der Stadtbrände. Und ein solches Zeugnis ist die Mauer in der Kränzelstraße. Wenn man genauer guckt, erkennt man, dass es die Häuswände von 3 Häusern sind mit Fenstern und Türen – die nie wieder jemand aufgebaut hat.

Heute befindet sich dahinter ein Parkplatz und das Café Kränzel nutzt es als Sommerterrasse. Die Mauer selber steht unter Denkmalschutz, genauso, wie sie ist. Darüber freuen sich die „städtischen Sammlungen“ sehr. So wird Geschichte erlebbar. An der Mauer selbst fehlt allerdings ein Hinweisschild, damit alle wüssten, was es mit ihr auf sich hat. Bis dahin ist es also ein Insider aus einer Stadtführung unseres Museums, den ich gern mit Euch teile.


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